Illustration: Der STANDARD

Wie sehr die Lebensgeschichte und die Weltanschauung von Forschern ihre wissenschaftlichen Fragestellungen und Resultate beeinflussen, das wird selten zum Thema gemacht. Lieber pflegt man den Mythos von der "wissenschaftlichen Objektivität". Ein Gegenbeispiel ist der Psychologe Josef Berghold: In seinem (auch sonst lesenswerten) Buch Feindbilder und Verständigung hat er einleitend den Versuch unternommen, seine Spezialisierung auf politische Psychologie und Feindbildforschung aus seiner persönlichen Entwicklung heraus verständlich zu machen.

Ein ausführlicher Motivbericht ist das geworden, in dem er seinen schon im Teenageralter ausgeprägten Idealismus als undogmatischer Linker bemerkenswert ungeschützt exponiert. Nur über seine Lebensgeschichte gibt er dort letztlich doch wenig preis, das hätte sich mit seinem scheuen Wesen wohl schlecht vertragen. Für das vorliegende Porträt ist er zwar bereit, aus seinem Privatleben zu erzählen, "nur als Yuppie möchte ich nicht herüberkommen".

Sind Yuppies für den Feindbildforscher - ein Feindbild? "Da müsste ich nachdenken. Jedenfalls ein Feindbild für mich sind Leute, die zu viel Lärm machen." Die Gefahr, dass Berghold als Yuppie rüberkommt, ist gering. Yuppies promovieren nicht erst mit 34, Yuppies singen nicht das Lob des "kreativen Potenzials der Faulheit" - und Yuppies streben eine Karriere nach herkömmlichem Schema an. So heißt es jedenfalls allerorts in den schubladisierten Klischeees.

Berghold hingegen ist das (wegen notorisch unterdotierter Fördertöpfe oder wegen grassierender Yuppie-Gesinnung) selten gewordene Beispiel eines freien Forschers, der allein durch einzelne Forschungsprojekte eine kontinuierliche wissenschaftliche Tätigkeit entfalten konnte; eine Stelle an einer Uni hat er trotz regelmäßiger Lehraufträge als freier Lektor nie angestrebt. Erst 2002, mit bald 50 Jahren, hat er bis auf weiteres eine Gastprofessur in Innsbruck angenommen.

Aus seiner Heimatstadt Graz schon mit 18 weggegangen, um dem konservativen Milieu seiner Familie zu entkommen, lebte er in Salzburg, Wien, Toulouse, New York und Bologna; in den USA, woher auch seine Frau stammt, arbeitete er außer als Forscher als Übersetzer. Bei der American Translators Association ist er für die Sprachenpaare Italienisch-Englisch und Englisch- Deutsch akkreditiert, obwohl er sein Italienisch und Englisch nur autodidaktisch perfektioniert hat. Das Spracheninteresse, meint er, hänge wohl mit seiner "nestflüchtenden Tendenz" zusammen, die ihn Österreich früh als zu eng empfinden ließ.

Nach Hobbys gefragt, muss Berghold nachdenken: ein bisschen Bergwandern und Schwimmen, Lesen von "Literatur mit großem L" - aber zu all dem bleibe bedauerlich wenig Zeit: "Arbeit und Hobby sind bei mir sehr stark verquickt." Für das kreative Potenzial der Faulheit biete er selbst ein schlechtes Beispiel. (Robert Schlesinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28. 12. 2003)