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EPA/Franco Silvi
Rom - Nach stundenlangen Verhören hat Parmalat-Gründer Calisto Tanzi ausgepackt: Nach anfänglichem Leugnen gab er jetzt zu, Millionenbeträge aus den Kassen des mittlerweile insolventen italienischen Lebensmittelkonzerns veruntreut zu haben.

Die Bilanzlücke liegt nach den Worten voninhaftierten Tanzi bei etwa acht Milliarden Euro. Tanzi nannte diesen Betrag während seiner Vernehmung, wie aus dem Haftbefehl hervorgeht, der Reuters am Dienstag vorlag. Tanzi gab nach Angaben eines Anwalts auch zu, rund 500 Millionen Euro aus dem Konzern in andere Unternehmen abgezweigt zu haben, darunter eine Tourismusfirma, die sich im Familienbesitz befindet.

Geld der Tochterunternehmen abgezweigt

"Ich habe das Geld von der Gruppe abgezweigt. Ich habe es genommen, um die schwierige Situation unserer Tochterunternehmen in der Tourismusbranche in den Griff zu bekommen", sagte Tanzi den Staatsanwaltschaften von Mailand und Parma, die in dem Fall ermitteln.

Bei einem ersten Verhör hatte er die Betrugs-Vorwürfe zunächst bestritten und erklärt, er habe höchstens eine Million Lire (etwa 500 Euro) für kleine persönliche Ausgaben aus den Firmenkassen genommen. "Das bisschen Kleingeld hat sich in einen riesigen Geldfluss verwandelt", kommentierte die Zeitung "La Repubblica".

Nach weiteren Verhören soll Untersuchungsrichter Guido Salvini am Mittwoch entscheiden, ob die Haft des Unternehmers im Mailänder Gefängnis von San Vittore verlängert wird.

Zehn bis 13 Milliarden Euro Schulden

Die Justiz bezifferte die Schulden des unter Gläubigerschutz stehenden größten italienischen Lebensmittelkonzerns zuletzt mit 10 bis 13 Mrd. Euro. Bis Ende 2002 betrug der Schuldenstand der Gruppe 8,2 Mrd. Euro, hatte Insolvenzverwalter Enrico Bondi zuvor errechnet. Medien bezeichneten Tanzi am Dienstag als "entthronten Milch-König".

Tanzi, der sich zuletzt in Portugal und Südamerika aufgehalten hatte, war am Wochenende in Mailand auf offener Straße festgenommen worden. "Aber das war keine Flucht, ich war mit meiner Frau unterwegs. Wir wollten auf die Galapagos-Inseln, um uns etwas auszuruhen", erklärte Tanzi.

Auf Anraten seiner Anwälte sei er jedoch von Ecuador aus gleich wieder nach Mailand geflogen. Die Ermittler vermuten, dass der Unternehmer hunderte Millionen veruntreute Euro in dem südamerikanischen Land versteckt haben könnte. "Der Schatz Tanzis wird jetzt in Ecuador gesucht", titelten Medien.

SEC reicht Klage ein

Unterdessen hat die US-Wertpapier- und Börsenkommission SEC Klage gegen Parmalat eingereicht. Der Konzern habe Investoren in den USA dazu veranlasst, Anleihen und andere Wertpapiere im Wert von mehr als 1,5 Mrd. Dollar (1,2 Mrd. Euro) zu kaufen, während er "eine der größten und unverschämtesten unternehmerischen Finanzbetrügereien der Geschichte" durchgeführt habe, berichtete die "New York Times" in ihrer Onlineausgabe. Es wurden Geldstrafen in nicht genannter Höhe verlangt.

Auch die Deutsche Bank hält derzeit durch ein Leihgeschäft 5,1 Prozent der Anteile an dem insolventen Lebensmittelkonzern. Allerdings gebe es Vereinbarungen, die die Rückgabe der Anteile zu festgelegten Konditionen vorsehe, sagte ein Sprecher der Bank am Dienstag auf Anfrage.

Das wirtschaftliche Risiko liege dadurch nicht bei der Deutschen Bank. Die Anteile seien seit Ende November der Bank zuzurechnen. Eine Rückgabe sei bereits in den nächsten Wochen denkbar. Einzelheiten zu dem Handelspartner wollte der Sprecher nicht nennen.

In Österreich ist Parmalat mit einer Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie an der NÖM beteiligt. Die Rohmilchlieferungen wurden bereits vergangene Woche eingestellt, die noch offenen Rechnungen liegen bei "ein paar hunderttausend Euro", wie es zuletzt hieß. (APA/dpa)