Frankfurt/Berlin - Der "Abtrennungsplan" des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon, der für den Fall eines Scheiterns des internationalen Nahost-Friedensfahrplans (Roadmap) eine einseitige Grenzziehung und die Einverleibung großer Teile der palästinensischen Gebiete durch Israel vorsieht, ist am Montag Gegenstand von deutschen Pressekommentaren.

"Frankfurter Rundschau":

"Der Nahost-Konflikt geht in eine neue Runde der Gewalt. Israels Premier Ariel Sharon ließ die Palästinensergebiete vorübergehend absperren. Vor allem aber propagiert er sein neues Rezept gegen den Terror: die Abtrennung von den Palästinensern. Die umstrittene Barriere, die auf palästinensischem Gebiet gebaut wird, ist dazu ein erster Schritt. (...) Der Trennungsplan beschwört eine Krise mit dem wichtigsten Verbündeten herauf. Die US-Regierung warnt Sharon, mit seinem unilateralen Vorgehen die amerikanisch unterstützte Friedensinitiative, die so genannte Roadmap, definitiv zu erledigen. Vom Trennungsplan könnte deshalb am Ende bloß der Wall übrig bleiben - und dieser wird das Gewaltpotenzial noch erhöhen, weil er die Verelendung der Palästinenser zementiert..."

"Berliner Zeitung":

"Ausgerechnet Ariel Sharon, der während drei Jahrzehnten die jüdische Besiedlung der besetzten Gebiete gefördert hat, spricht neuerdings von einseitigem Rückzug; dabei würde er einen Teil der Siedlungen aufgeben. Wenn der Friedensprozess keine Fortschritte mache, werde er sich von den Palästinensern abkoppeln. 'Bei der Umsetzung des Trennungsplans würden die Palästinenser sehr viel weniger erhalten, als sie durch Verhandlungen gemäß der Roadmap bekommen können', mahnt der Premier. Mit dem möglichst schnellen Rückzug aus Teilen der besetzten Gebiete strebt Sharon die Entschärfung des 'demografischen Problems' an. Er hat dem Demografieforscher Amnon Sofer offenbar gut zugehört, der vorrechnet: Bereits heute gibt es zwischen Mittelmeer und Jordan-Senke keine jüdische Mehrheit mehr. Und auch im eigentlichen Staatsgebiet Israels sei die jüdische Majorität in Gefahr. (...) Der einseitige Abzug aus Teilen der Autonomiegebiete findet die Zustimmung der meisten Israelis. Nur so lasse sich der jüdische Charakter des Staates retten, heißt es."

"Handelsblatt":

"Die Besatzungspolitik bringt Israels Streitkräfte in Nöten: Junge Bürger und Reservisten wehren sich gegen ihren Einsatz in den besetzten Gebieten. Noch sind es wenige, aber ihre Zahl wächst. Und das Argument, dass sie für ihre Verweigerung anführen, ist politisch hoch brisant: In den Autonomiegebieten würden Millionen von Palästinensern die Menschenrechte vorenthalten. Diese Soldaten sind keineswegs Drückeberger oder gar Feiglinge. Unter ihnen befinden sich schließlich Angehörige von Eliteeinheiten. Selbst Kampfpiloten, also die Creme de la Creme der Streitkräfte, kündigen ihren Dienst auf. Dass sie bei Luftangriffen auf radikale Islamisten immer wieder auch unschuldige Zivilisten töten, bereitet ihnen ein schlechtes Gewissen." (APA/dpa)