Rom - Die Staatsanwälte von Mailand und Parma, die in der Pleite des italienischen Nahrungsmittelkonzerns Parmalat ermitteln, haben am Montag den Sitz der Finanzgesellschaft La Coloniale, einer Holding unter Kontrolle des Milchmultis, durchsucht. La Coloniale ist eine 1987 gegründete Finanzgesellschaft, die für die Auslandsgeschäfte des siebtgrößten italienischen Privatkonzerns zuständig ist. Unter ihrer Kontrolle stehen mehrere ausländische Töchter des Parmalat-Konzerns, der 139 Produktionsanlagen in fünf Kontinenten besitzt.

Schuldenstand noch unklar

Die Ermittlungen um den Milliarden-Fehlbetrag in den Parmalat-Kassen laufen auf Hochtouren. Bis 31. Dezember 2002 betrugen die Schulden des insolventen italienischen Nahrungsmittelkonzerns Parmalat 8,2 Mrd. Euro, teilte der von der Regierung mit der Sanierung des Unternehmens beauftragte Sonderkommissar, Enrico Bondi mit. Noch unklar ist der Umfang der Schulden, die der Milch-Multi 2003 angesammelt hat. Bondi gab zu, dass sich die finanzielle Lage des Konzerns im Jahr 2003 "wesentlich verschlechtert hat". Bondis Bericht bestätigt Informationen italienischer Medien, wonach die Schulden Parmalats über zehn Mrd. Euro betragen sollen.

Bondi überprüft auch die Lage der zahlreichen Parmalat-Töchter. Nachdem er am Samstag für Parmalat den Insolvenzstatus beantragt hatte, steht auch die Finanzgesellschaft des Lebensmittelkonzerns, Parmalat Finanziaria, vor den Zusammenbruch. Auch für diese Finanzgesellschaft wird Bondi den Insolvenzstatus beantragen, berichteten italienische Medien. In Parma zittert man auch um die Zukunft des Fußball-Erstligisten AC Parma, der mehrheitlich unter Parmalats Kontrolle steht. Nicht auszuschließen ist, dass der Klub verkauft werden könnte. Auch der auf den Tourismusbereich spezialisierten Parmalat-Tochter Parmatour droht der Zusammenbruch. Die Ermittler gehen davon aus, dass die von den Parmalat-Kassen verschwundenen Summen zum Teil dazu gedient haben, das Defizit zu decken, das Parmatour aufgerissen hat.

Klagenflut der Investoren

Die Staatsanwaltschaft von Mailand wird inzwischen von Klagen verzweifelter Investoren überflutet, die wegen des finanziellen Zusammenbruchs von Parmalat enorme Summen verloren haben. Drei Konsumentenschutzverbände forderten die Festnahme der Manager der Buchprüfungsgesellschaft Grant Thornton, die ihrer Ansicht nach von den Bilanzfälschungen bei Parmalat Bescheid wussten und den Skandal gedeckt hätten.

Parmalat-Gründer, Calisto Tanzi, der sich seit Samstagabend im Mailänder Gefängnis von San Vittore befindet, wurde am Montag vom Untersuchungsrichter Guido Salvini vernommen. Der Richter muss entscheiden, ob die Untersuchungshaft für den 65-jährigen Großunternehmer verlängert werden soll. Tanzi arbeitet mit seinem Rechtsanwalt, Fabio Belloni, an einer Verteidigungslinie, berichteten italienische Medien. Tanzi bestritt, für persönliche Ausgaben 800 Mio. Euro aus den Kassen seiner Firma entwendet zu haben.

Enron im Vergleich eine Kleinigkeit

Die Parmalat-Pleite sorgt auch im Ausland für Schlagzeilen. "Wegen der Effekte auf das Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Italien ist der Enron-Skandal in den USA nichts im Vergleich mit der Parmalat-Pleite", schrieb die britische Tageszeitung "Financial Times" am Montag. Laut der Tageszeitung macht das Parmalat-Finanzloch zirka 0,8 Prozent des italienischen BIP aus. "Im Vergleich war der Enron-Fall in den USA eine Kleinigkeit", schrieb die Tageszeitung. (APA)