Wien - Vor Beginn der Verhandlungen um ein neues Dienstrecht bei den ÖBB im neuen Jahr sind die Wogen zwischen Regierung und Gewerkschaft am Montag erneut hochgegangen. Für Aufregung sorgte ein Interview mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch im "Standard", in dem dieser indirekt mit neuen Bahnstreiks drohte, "wenn die Regierung die Verhandlungen scheitern lässt".

Auch der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, verwies im heutigen Ö1-Mittagsjournal einmal mehr auf die Schlagkraft der Eisenbahnergewerkschaft, die schon 2003 mit mehreren Streiks die Bahn stillstehen ließ. "Dass die Eisenbahner die Kraft zum Streik haben, haben sie bewiesen", sagte Haberzettl.

Gorbach unbeeindruckt

Verkehrsminister und Vizekanzler Hubert Gorbach (F) zeigte sich am Montag unbeeindruckt. Werde in den Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Vorstand das Einsparungsziel von 100 Mio. Euro nicht umgesetzt, werde das Parlament die ÖBB-Dienstrechtsreform beschließen, sagte Gorbach.

Im Zuge der ÖBB-Reform hatte die Regierung ursprünglich schon heuer ein neues ÖBB-Dienstrechtsgesetz beschließen wollen, mit dem die bisher privatrechtlichen Einzelverträge der 47.000 ÖBB-Beschäftigten abgeändert werden sollten.

Die Gewerkschaft hatte gegen diese Eingriffe heftig protestiert, im November waren die ÖBB deshalb drei Tage lang bestreikt worden. Regierung und Gewerkschaft hatten sich daraufhin geeinigt, dass ÖBB-Betriebsrat und Vorstand bis Ende April 2004 Zeit bekommen, selbst ein neues Dienstrecht auszuverhandeln.

Konkret geht es in den Verhandlungen um vier Aspekte: die Entgeltzahlung im Krankheitsfall, die Lockerung des Kündigungsschutzes, die Reduktion der Biennalsprünge und Änderungen bei Urlaub und Arbeitszeit.

Vorarbeiten bereits begonnen

Drei Verhandlungsgruppen zwischen Management und Vorstand - eine für neue Arbeitszeitregelungen, eine für die restlichen dienstrechtlichen Aspekte und eine für die budgetären Auswirkungen der Maßnahmen - haben bereits die Vorarbeiten aufgenommen. Intensivverhandlungen sollen Mitte Jänner 2003 beginnen.

Haberzettl warnte das ÖBB-Management davor, in diese Verhandlungen Forderungen zu platzieren, die mit den eigentlichen Dienstrechtsänderungen nichts zu tun hätten. Der ÖBB-Vorstand wolle ein komplett neues Dienstrecht installieren und lasse sich zu einem Werkzeug der Regierung machen, kritisiert der GdE-Boss, der die derzeitige Situation rund um die ÖBB als "labil konstruktiv" bezeichnet.

Vizekanzler Gorbach bekräftigte am Montag vor Journalisten, dass eine Abschaffung der Sonderrechte bei den ÖBB "notwendig" sei. Entscheidend sei, dass durch die Dienstrechtsreform 100 Mio. Euro eingespart werden müssten.

Ergebnis bis Ende April

Die Gewerkschaft habe versichert, dass man dieses Ziel in Verhandlungen mit dem Vorstand auch ohne gesetzlichen Eingriff erreichen werde. Er wolle das Ergebnis der Verhandlungen bis Ende April abwarten. Sollten Vorstand und Gewerkschaft das Einsparungsziel nicht erfüllen, werde ein neues Dienstrecht im Parlament behandelt, drohte Gorbach.

Laut Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (V) sind in den Vereinbarungen mit der Gewerkschaft nach Ende des dreitägigen Eisenbahnerstreiks im November die Verhandlungspunkte genau festgelegt worden. Verzetnitsch habe dies mitunterschrieben, betonte Kukacka am Montag in einer Reaktion.

Die Streikdrohung Verzetnitschs bezeichnete er als "schlechten Einstand fürs neue Jahr". Drohungen seien weder dem Geist der kommenden Verhandlungen zuträglich, noch werde sich die Regierung davon beeindrucken lassen, so der Staatssekretär. (APA)