Köln/Berlin - Trotz des Euro-Höhenflugs ist eine wachsende Zahl von deutschen Unternehmen optimistisch, dass der Export im kommenden Jahr die Konjunktur ankurbeln und ihnen insgesamt bessere Geschäfte bescheren wird. Dies geht aus zwei Umfragen bei Industrie und Wirtschaftsverbänden hervor, die am Montag veröffentlicht wurden.

"Signale unverkennbar"

"Die Signale für einen Aufschwung der deutschen Wirtschaft sind unverkennbar", kommentierte der Direktor des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Gerhard Fels, das Ergebnis der traditionellen IW-Verbandsumfrage zum Jahreswechsel.

Der IW-Studie zufolge rechnen 26 von 43 Branchenverbänden und damit gut 60 Prozent der Befragten 2004 mit leichten Produktions- und Umsatzsteigerungen; lediglich 14 Prozent oder sechs Branchen, darunter die Ernährungsindustrie, das Baugewerbe und das Handwerk, befürchten eine weitere Verschlechterung. Zehn Verbände gingen von etwa gleich bleibenden Umsätzen aus.

Von den rund 11.500 im "Industriereport 2003" des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) erfassten Unternehmen erwartet immerhin ein Drittel (33 Prozent) im kommenden Jahr bessere Geschäfte als 2003. Knapp ein Fünftel (19 Prozent) rechnet demnach mit einer Verschlechterung und knapp die Hälfte (48 Prozent) der Industrieunternehmen mit vergleichbaren Geschäften wie im ablaufenden Jahr.

Pharmaindustrie fürchtet Gesundheitsreform

Fast alle Industriezweige mit Ausnahme der Pharmaindustrie, die die Folgen der Gesundheitsreform fürchte, seien jedoch optimistischer gestimmt als noch vor Jahresfrist, betonte DIHK-Chefvolkswirt Axel Nitschke. Die Produktion könne laut Umfrage im neuen Jahr insgesamt um bis zu zwei Prozent steigen.

Die Aufbruchsstimmung werde allerdings im Wesentlichen von der Erholung der Weltwirtschaft getragen, die der deutschen Exportwirtschaft neue Dynamik verleihe, erläuterte IW-Direktor Fels. Um der Konjunktur auch durch die Binnenwirtschaft einen wirklich großen Schub zu geben, reichten die bisher beschlossenen und anvisierten Reformen noch nicht aus.

Auch die Industrie rechnet Nitschke zufolge im kommenden Jahr erneut mit steigenden Ausfuhrmengen, weil sich die Auslandsnachfrage auf Grund der überraschend starken US-Konjunktur spürbar belebe.

Euro "verhagelt" Ausfuhrgeschäft

Dennoch dürfte die aktuelle Schwäche des Dollar gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung den Unternehmen die Ertragsbilanzen im Ausfuhrgeschäft "verhageln", warnte Nitschke. "Jeder zusätzliche Cent, der bei dem jetzigen Kursniveau an den Devisenmärkten für den Euro aufgewendet wird, schmälert die Gewinne im US-Geschäft und auf asiatischen Absatzmärkten."

Die Bundesregierung beobachtet den ungebremsten Euro-Höhenflug "mit großer Gelassenheit" und sieht "im Moment keinen Anlass zur Sorge", wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin sagte. Die deutsche Exportwirtschaft sei außerordentlich konkurrenzfähig.

Der Frage, ab welcher Marke die Gelassenheit ende, wich Steg aber aus. Kurz zuvor hatte die EU-Währung am Morgen einen neuen Rekord von 1,2476 Euro erreicht, am frühen Nachmittag überstieg sie dann erstmals in ihrer fünfjährigen Geschichte die 1,25-Dollar-Marke.

Arbeitsmarkt weiter in de Krise

Für den deutschen Arbeitsmarkt dominieren beiden Umfragen zufolge weiterhin die negativen Signale: In der Industrie werde sich der Beschäftigungsabbau 2004 nur verlangsamen, aber nicht zu einem Ende kommen, hieß es beim DIHK. Laut IW erwartet auch eine knappe Mehrheit der Branchenverbände im kommenden Jahr einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen. Mehr Beschäftigte als 2003 werde es allein in der Kunststoffindustrie geben.

Der deutsche Mittelstand geht nach einer ebenfalls heute veröffentlichten Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) mit gemischten Gefühlen ins neue Jahr. Ein Drittel der Unternehmen (32 Prozent) rechnet mit besseren Geschäften, die Mehrheit (52 Prozent) erwartet, dass sich bei den Erträgen nichts ändert. 16 Prozent der Mittelständler gehen davon aus, dass sich ihre Lage weiter verschlechtert. Insgesamt liegen Hoffnung und Skepsis nahe beieinander. (APA)