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Speziell die Kinder der durch das Erdbeben im Iran obdachlos gewordenen Menschen leiden unter der Kälte, immer noch fehlt es an Unterbringungs- möglichkeiten, obwohl weltweit Hilfe angeboten wurde

Foto: EPA/Taherkenareh
"Gestern Rudbar, heute Bam und morgen vielleicht Teheran. Wie viele Menschen müssen noch sterben, wer trägt die Verantwortung?", fragt ein besorgter Zeitungsleser in einem Leserbrief in der Zeitung Aftab. Vor 13 Jahren, exakt am 21. Juni 1990, hat ein ähnliches Erdbeben im Norden Irans in der Stadt Rudbar 40.000 bis 50.000 Menschen getötet. Seit Jahren vermutet man, dass auch Teheran ein großes Erdbeben bevorsteht.

Drei Tage nach dem Beben in Bam werden kritische Stimmen immer lauter, die nach Verantwortlichen verlangen. Während das staatliche iranische Radio und Fernsehen nur über das Elend der Bebenopfer und die Hilfsbereitschaft der Massen berichtet, kritisieren viele Zeitungen die offiziellen Organe, die in den letzten Jahren versäumt haben, Vorsorge zu treffen.

Spontane Hilfsgruppen

Um ihrer Unzufriedenheit über staatliche Organisationen Ausdruck zu verleihen, bildeten sich spontane Hilfsgruppen und versuchten unabhängig von offiziellen Stellen Hilfe zu leisten und die gesammelten Hilfsgüter nach Bam zu transportieren.

Elf Jahre vor der Revolution (31. August 1968) hatte es bei einem großen Erdbeben nicht weit von Bam im Wüstenstaat Tabas ähnliche Aktionen gegeben. Damals haben die im Untergrund lebenden religiösen Führer (unter ihnen Ayatollah Khomeini) der Schah-Regierung vorgeworfen, nicht in der Lage zu sein, die Hilfe zu koordinieren und den Menschen beizustehen.

"Nur eine Warnung"

"Das Erdbeben in Bam war nur eine Warnung. Ein großes soziales Erdbeben steht noch bevor. Bei diesem Erdbeben werden die potemkinschen Dörfer zusammenbrechen", schreibt ein Kommentator in der Zeitung Shargh und vergleicht die Situation in Bam mit der Situation damals in Tabas.

Präsident Mohammed Khatami entschuldigte sich öffentlich im iranischen Fernsehen, dass er erst am Montagnachmittag nach Bam geflogen ist, und meinte, seine Berater hätten ihm aus Sicherheitsgründen von einer Reise in den ersten Stunden nach der Katastrophe abgeraten.

Eine Entschuldigung, für die das iranische Volk kein Verständnis hat. Der religiöse Führer Ayatollah Ali Khamenei ist ohne vorherige Ankündigung Montagvormittag in Bam eingetroffen.

Je mehr der Umfang der Katastrophe in Bam bekannt wird, desto lauter werden die kritischen Stimmen, die nach Verantwortlichen suchen und verlangen. "Es wird sich kein Verantwortlicher finden lassen", schreibt die Zeitung Etemad, und weiter: "Hoffentlich wird die Katastrophe von Bam nicht bald genauso in Vergessenheit geraten wie damals die Katastrophe in Rudbar."

Österreicher wird ausgeflogen

Der 22-jährige Österreicher Hanno R., der mit einer schweren Beinverletzung aus den Trümmern eines Hotels in Bam geborgen worden war, soll außer Landes gebracht werden, sobald sein Gesundheitszustand dies erlaubt und ein Ambulanzflug verfügbar ist, sagte der österreichische Botschafter in Teheran, Michael Stigelbauer. Der 22-Jährige wird nach Auskunft der Ärzte wieder völlig gesund.

12-Jährige drei Tage nach Beben gerettet

Drei Tage nach dem verheerenden Erdbeben haben Rettungskräfte ein 12-jähriges Mädchen lebend aus den Trümmern geborgen. "Sie blieb am Leben, weil das Dach nicht vollständig zusammenbrach", erklärte ein iranischer Helfer.

Die Bergungsarbeiten im gesamten Erdbebengebiet werden nach Angaben der Behörden der Provinz Kerman durch Plünderer behindert. Sicherheitskräfte riegelten deshalb am Montag die Zugänge der am stärksten betroffenen Stadt Bam ab. Einwohner von Bam machten für die Plünderungen von Lastwagen mit Hilfsgütern, die aus aller Welt eintreffen, Menschen aus der Region verantwortlich, die vom Erdbeben verschont geblieben waren.

Die iranische Armee widersprach unterdessen Angaben, wonach am Vortag ein Marinehubschrauber bei einem Hilfseinsatz im Erdbebengebiet bei Bam abgestürzt sei und dadurch zwei Menschen getötet worden seien. Der Hubschrauber habe wegen eines technischen Problems notlanden müssen, berichtete das iranische Fernsehen unter Berufung auf Militärkreise. (APA, Amir Loghmany aus Teheran, Der Standard, Printausgabe, 30.12.2003)