Wien - Am 1. Jänner tritt das neue Uni-Gesetz in Kraft, wonach die Hochschulen autonom über ihre innere Organisation entscheiden können. Die Veränderungen betreffen auch den Rechtsstatus der über 600 Jahre alten Bildungsinstitution. Ein Forschungsprojekt der Uni Wien analysiert die akademische Sondergerichtsbarkeit im Mittelalter.

Im Rudolfinischen Stiftungsbrief zur Gründung der Universität Wien 1365 wurde die akademische Jurisdiktion festgeschrieben: Jedes Semester sollte ein Rektor gewählt werden, der neben seinen Ämtern dem Universitätsgericht vorstand. Es gab somit neben der Bürgerschaft, dem Klerus und dem Adel eine weitere Gruppe mit eigenem Rechtsstatus: die "cives academici".

Da Papier jedoch auch im Mittelalter schon geduldig war, gab es einige Schwierigkeiten, diese Rechte gegen weltliche und geistliche Zuständigkeiten durchzusetzen, was dazu führte, dass die Universität erst 1420 vom Papst die Bestätigung dafür erhielt. Die oftmals gewaltsamen Auseinandersetzungen der Studenten mit Wiener Bürgern - vor allem mit den Handwerkern - machten eine klar zugewiesene Jurisdiktion jedenfalls erforderlich, wie die für die Studie eingesehenen Akten zeigen.

Exkommunikation

Zusammen mit den vier Dekanen übte der Rektor über die Angehörigen der Universität die Rechtsprechung in Zivil-und Kriminalsachen sogar mit dem Recht zur Exkommunikation aus. Die Universität genoss vor der Stadtgemeinde und vor der Kirche eine Autonomie, die sich besonders in der Befreiung von bischöflicher und städtischer Jurisdiktion manifestierte.

Das soziale Gefüge der Hochschulen ähnelte anderen genossenschaftlichen Vereinigungen, wie Gilden oder Zünften - mit dem feinen Unterschied, dass es sich aus verschiedenen sozialen Schichten zusammensetzte. Die universitäre "familia" erstreckte sich auch auf die Angehörigen und die Dienerschaft sowie Handwerker, Pedellen, Universitätsdiener, Notare und Personal. Die Konflikte mit weltlichen und geistlichen Institutionen waren also vorprogrammiert und flammten vor allem auf, wenn sich eine Person gleichzeitig in verschiedenen Sphären bewegte. Magister und Professoren waren bis ins 16. Jahrhundert meist Geistliche und somit auch oft Inhaber von Pfründen.

Für die Hochschule bedeutete dies, dass sich erst das Passauer, später das Wiener Bistum als richterliche Instanz für die der Universität inkorporierten Geistlichen verstand. Aus den Rektoratsakten, der "acta universitatis", ist ersichtlich, dass dabei meistens zivilrechtliche Angelegenheiten wie Nachlassregelungen oder Kompetenzstreitigkeiten mit anderen rechtlichen Instanzen auf der Tagesordnung standen.

Joseph II. brachte die Auseinandersetzungen um die Sondergerichtsbarkeit 1783 zu einem Ende, indem er die akademische Gerichtsbarkeit abschaffte. (Rosemarie Eichinger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 12. 2003)