Das Problem beginnt schon bei der Anrede. Soll man Sie noch als Rektoren, gar als Magnifizenzen ansprechen, oder doch besser als Generaldirektoren oder vielleicht schon als CEOs? Zumindest braucht man geschlechterneutrale Imperative nicht beachten. Also der Einfachheit halber:

Meine Herren! In wenigen Tagen übernehmen Sie "monokratisch" die Leitung Ihrer Universitäten und ich weiß wohl, dass Sie mehr am Hals haben als Ihnen lieb ist: Eröffnungsbilanzen, Personalrochaden, widerborstige Gremien, kein Geld und was sonst noch. Erlauben Sie dennoch, dass ich mich mit einer Frage an Sie wende, die wohl nicht nur mir für die Zukunft der österreichischen Wissenschaften wichtiger zu sein scheint, als die Organisationsreform, der Sie sich und der sich Ihre hauseigenen Kritiker in den letzten Wochen und Monaten mit aufopfernder Hingabe gewidmet haben:

Welche Chancen habenkünftig Jüngere, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben? Als vor fast drei Jahrzehnten die Mitbestimmungsuniversität eingeführt wurde standen uns damals recht Jungen einige wenige betagte Ordinarien gegenüber, die ihr letztes Rückzugsgefecht hinter sich hatten. Wir dachten, sie hätten es verloren, aber die Geschichte belehrte uns eines besseren. Diesen wenigen Mächtigen stand eine große Zahl jüngerer Assistenten gegenüber, die kaum älter waren als wir, die von ihnen unterrichteten Studierenden.

Wer in der ersten Hälfte der 70er Jahre sein Studium abschloss, konnte fast sicher sein, dass ihm - viel seltener ihr - eine Assistentenstelle angeboten wurde, die nur jene ausschlugen, die schon damals lieber gutes Geld verdienen wollten. Der weitere Weg war klar vorgezeichnet: Nach Überprüfung der Einpassung in die herrschende Mentalität, genannt Habilitation, wofür den meisten sagenhaft lange 14 Jahre eingeräumt wurden, konnten die Mitglieder der während des oder knapp nach dem Krieg geborenen Kohorten jedenfalls mit einer Beamtenlaufbahn rechnen, einige konnten im "wilden Hazard" (Max Weber) gar in die höchste Etage aufsteigen (und jene, die das aus individuellen und mehr noch aus Gründen des zu großen Andrangs nicht schafften, wurden bekanntlich mit allerlei Titeln für die ausgebliebene Beförderung symbolisch entschädigt).

Seit Monaten frage ich mich, was ich den heutigen Studierenden und Absolventen, raten soll, die zu mir kommen und meist schüchtern fragen, wie sie denn zu einer Stelle kommen könnten, wie ich sie habe. Und seit Monaten versichere ich ihnen, gewiss würden die schlanken Entscheidungsstrukturen der "Uni neu" dafür beizeiten eine Lösung hervorbringen.

Nun drängt es aber schon mächtig und deswegen wollte ich bei Ihnen anfragen, was ich denn den jungen Leuten nun sagen oder gar raten solle? Ab Jänner haben Sie als Chefs Ihrer Universitäten die Freiheit zu heuern und feuern, wen immer Sie wollen. Nein, ich weiß, nicht ganz: unsereinen und das sind schätzungsweise 90 Prozent der Belegschaft hat der Gesetzgeber in eine Personalgesellschaft ausgelagert, wo wir Altbeamte unserem Ablaufdatum entgegendämmern werden und die uns auferlegten Pflichten im Rahmen unserer Möglichkeiten wohl auch erledigen werden. Doch diese "Ämter der Universität" können doch nicht alles sein, was die um Weltklasse ringenden österreichischen Universitäten personalpolitisch zustande bringen.

Was geschieht also mit jenen, die in die neue Organisationsform "überführt" werden und nicht mehr die Privilegien eines Beamtendaseins genießen werden können? Soll ich jungen Assistenten dazu raten, sich wie ihre Vorgänger um eine Habilitation zu bemühen, wo doch jeder, der nicht von der Bosheit beseelt ist, dass anderen das gleiche geschehen möge, was ihnen angetan wurde, zustimmen wird, dass die Habilitation weder ein innovative Erkenntnisse produzierendes Instrument ist noch ein besonders effizientes Personalauswahlmodell darstellt? Oder soll ich ihnen raten, die alten Strukturen zu vergessen und stattdessen originelle Forschungsergebnisse anzustreben und zu hoffen, dass das eines schönes Tages durch eine "Juniorprofessur" belohnt wird (so man sich entschließen sollte, dieses vor kurzem in Deutschland eingeführte Nachwuchsmodell zu übernehmen)?

Den Jungen sagen, . . .

Wäre es, angesichts der Tatsache, dass wissenschaftliches Humankapital ja nicht von heute auf morgen entsteht, nicht angebracht, Personalentwicklungspläne zu haben und Laufbahnmodelle publik zu machen, damit Jüngere wenigstens wissen, woran sie sind?

Drei Karriereschritte bedürfen dringend einer Regelung: Promotionsstellen, sowie das, was in den USA tenure track genannt wird, also Stellen, die bei Erfüllung bestimmter Leistungen in Lebenszeitstellen umgewandelt werden.

Um die Diskussion möglichst konkret werden zu lassen, für jede Stufe der Karriereleiter ein Vorschlag:

Schaffen Sie doch innerhalb Ihrer Universitäten einen Pool von Promotionsstellen, die in einem Wettbewerb vergeben werden. Entweder im Wege einer von auswärtigen Fachleuten überprüften Einrichtung von Graduiertenkollegs (wo eine größere Zahl von Dissertanten im Verbund arbeiten kann) oder durch individuelle Bewerbung. Das ist nicht sehr teuer und schafft in recht kurzer Zeit eine Gruppe von jungen Wissenschaftlern, von denen die besten in die nächste Stufe übernommen werden können.

. . . woran sie sind

Etablieren Sie rasch ein einfach handhabbares Modell, um zu entscheiden, wer nach einer Anfangsphase als Assistent von etwa vier Jahren auf eine Lebenszeitstellung übernommen werden soll, und sorgen Sie doch dafür, dass dabei nicht mehr nur einzelne Altprofessoren das entscheidende Wort haben. In der alten Ordinarienuniversität und in der nun auch der Vergangenheit angehörenden Mitbestimmungsuniversität wurde für mein Dafürhalten viel zu sehr ein lokales Rekrutierungsmodell gepflogen, wo jemand nur dann Zutritt zur weiteren akademischen Karriere gewährt wurde, wenn er dem einen Chef oder später dann dem Gleichgewicht der Gruppenkräfte genehm war.

Das Resultat war, dass sich die überwiegende Mehrheit der Assistenten einer Universität aus Absolventen derselben zusammensetzte. Artenvielfalt charakterisierte noch nie österreichische Universitäten und dass Inzucht in wissenschaftlichen Dingen weniger fatal wäre als anderswo wird wohl niemand ernsthaft zu behaupten wagen.

Für all jene Unentwegten unter den Jüngeren, die ihre wissenschaftlichen Ambitionen noch nicht begraben haben, wäre es in diesem Zusammenhang von allergrößter Wichtigkeit, dass Sie rasch und unzweideutig klar stellen, ob Sie an Ihrer Universität weiterhin die Habilitation als Hürde für den unsicheren weiteren Aufstieg beibehalten wollen oder sich eines moderneren und effizienteren Selektionsinstruments bedienen wollen. Künftige Generationen von Wissenschaftlern und Studierenden werden Ihnen dafür mehr Lob zollen, als für die hingebungsvolle Debatte über die interne Organisation Ihrer Universität. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 12. 2003)