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Nach den Briefbomben an EU-Institutionen laufen die Ermittlungen der Polizei auf Hochtouren. In Bologna, wo alle Briefe aufgegeben wurden, hat die Polizei zahlreiche Hausdurchsuchungen vorgenommen.

Foto: APA/EPA/Giorgio Benvenuti
Rom - Nach den Briefbomben gegen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi in Bologna, Zentralbankchef Claude Trichet in Frankfurt, Europol und Eurojust in Den Haag hat die italienische Polizei ihre Suche nach den Tätern intensiviert. In Bologna, wo alle Briefe aufgegeben wurden, hat die Polizei zahlreiche Hausdurchsuchungen vorgenommen.

Serie von 69 Anschlägen

Die Briefbombe gegen Eurojust, die EU-Zentrale für grenzüberschreitende Verbrechensbekämpfung, war nur die letzte einer Serie von 69 Anschlägen, deren Urheber die italienische Polizei seit über zwei Jahren vergeblich auszuforschen versucht. Sie richteten sich gegen so unterschiedliche Ziele wie Polizeistationen und Tankstellen, Fernseh- und Zeitungsredaktionen, die Ämter der Region Sardinien oder Büros der spanischen Fluglinie Iberia.

Anarchistische Szene

Die Gruppen, die sich dazu bekannten, tragen Namen wie "Internationale Solidarität" oder "Brigade 20. Juni" und werden der anarchistischen Szene zugerechnet. "Wir kennen rund 250 Sympathisanten, wir haben zahlreiche Telefongespräche abgehört, wir verfügen über eine Menge Fahndungsunterlagen. Was uns fehlt, ist der schlüssige Beweis", gesteht Innenminister Giuseppe Pisanu. "Wir müssen sie auf frischer Tat ertappen. Das ist schwierig, denn Anarchisten agieren nie in organisierten Gruppen."

Staatsanwalt will nicht von "Terrororganisation" sprechen

Der Staatsanwalt von Bologna, Enrico Di Nicola, will nicht von einer "Terrororganisation" sprechen. "Wir dürfen nicht den Fehler begehen, sie mit den Roten Brigaden gleichzusetzen. Ihre Anschläge wollen nicht töten, sondern haben demonstrativen Charakter. Die Anhänger der Szene sind gegen den Staat, gegen den Kapitalismus, gegen die Nato. Aber sie verabscheuen den Marxismus", so De Nicola. "Es gibt hier in Bologna mehrere solcher Zellen. Das ist für Fahnder ein äußerst schwieriges Puzzle, weil sie individuell agieren. Ich müsste jeden Einzelnen rund um die Uhr beschatten lassen. Dafür fehlen mir die Leute."

Netzwerk mit internationalen Verbindungen

Innenminister Pisanu spricht von einem "Netzwerk mit internationalen Verbindungen" in Spanien, Frankreich, der Schweiz, Deutschland und Griechenland. Sprengstoffexperte Antonio Ugolini hält die Bezeichnung "Briefbombe" für missverständlich und erklärt den Unterschied zu den Postsendungen, die vor ein paar Jahren in Österreich für Aufregung sorgten. "Diese Umschläge enthalten nur wenig Sprengstoff. Beim Öffnen entsteht keine Explosion, sondern eine Stichflamme. Ein Paket, wie es an Prodi geschickt wurde, kann man mühelos zu Hause herstellen. Da genügen ein paar Gramm eines Feuerwerkskörpers. Das ist es, was die Suche nach den Tätern so schwierig macht." (DER STANDARD, Printausgabe 31.12.2003)