Rom - Der insolvente italienische Nahrungsmittelkonzern Parmalat steht vor einer neuen Notlage: Der weltweite Marktführer bei Kartonverpackungen, Tetra Pak, setzte die Lieferungen an den italienischen Milchmulti aus, weil seit Monaten keine Rechnungen mehr bezahlt werden. Parmalat verbraucht jährlich 700 Millionen Packungen für Milch und Fruchtsäfte, berichteten italienische Medien.

In den Produktionswerken von Parmalat seien noch Kartonverpackungen für maximal eine Woche in den Lagern vorhanden. Der mit der Sanierung des Nahrungsmittelkonzerns beauftragte Sonderkommissar, Enrico Bondi, habe ein Treffen mit den Tetra Pak-Managern beantragt, um eine Lösung für das Problem zu finden, hieß es.

Der Chef der italienischen Tetra Pak-Filiale, Paolo Nigro, versicherte, dass die Lieferungen für die tägliche Produktion der Lebensmittelgruppe nicht suspendiert worden seien. Für Tetra Pak ist die Parmalat-Pleite ein gravierendes Problem, da der italienische Lebensmittelkonzern sein weltweit größter Kunde ist.

Marke soll weiter geführt werden

In einer Presseaussendung versicherte Parmalat, dass der Konzern die Milchlieferanten bezahlen wird. "Parmalat will das Fortbestehen seiner Marken garantieren. Die Beziehungen zu den Lieferanten bleiben erhalten", versicherte Bondi. Wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Gruppe war Parmalat mit der Zahlung der Milchlieferungen von rund 5.000 Bauern in Verzug geraten, was große Sorgen im italienischen Milchsektor ausgelöst hatte.

Auch der brasilianischen Parmalat-Tochter droht der Konkurs. Parmalat do Brasil konnte gestern die rund 700.000 Euro nicht zurückzahlen, die sie elf Konsortien von Milchproduzenten schuldete. In den brasilianischen Produktionswerken von Itaperuna werden täglich 500.000 Liter Milch pro Tag verarbeitet.

Übernahmegerüchte

In Italien mehren sich Spekulationen über Firmen, die an der Übernahme von Teilen des maroden Konzerns interessiert sind. Nach Angaben der Wirtschaftszeitung "Finanza e mercati" könnte Parmalats Milchgeschäft vom italienischen Milchproduzenten und Parmalat-Konkurrenten Granarolo kommen.

Dieser könne auf Unterstützung des Investmentfonds Clessidra zählen. Granarolos Übernahme des Milchgeschäftes wird angeblich auch von der Regierung Berlusconi unterstützt, die eine Veräußerung von Parmalat-Assets an ausländische Unternehmen vermeiden will.

Die Ermittlungen der Staatsanwälte von Mailand und Parma laufen unterdessen auf Hochtouren. Nach der Vernehmung des seit Samstag inhaftierten Parmalat-Gründers, Calisto Tanzi, und seines Sohnes Stefano wollen die Staatsanwälte auch die Tochter des Milchpatriarchen Francesca vernehmen.

Francesca Tanzi stand an der Spitze der im Tourismusbereich spezialisierten Parmalat-Tochter Parmatour, die Schulden in Millionenhöhe aufweist. Calisto Tanzi hatte den Ermittlern mitgeteilt, er habe zirka 500 Millionen Euro von den Firmenkassen unterschlagen, um Parmatours Schulden einzudämmen. (APA)