Im Frühsommer 2003 war sich Hakam al-Baba nicht ganz sicher: "Der Druck der USA hilft Bashar al-Assad, und er hilft ihm nicht." Einerseits, so der oppositionelle Journalist, sei das eine Chance für den jungen Präsidenten, endlich gegen die alten Betonköpfe in der sozialistischen Baath-Partei vorzugehen. Andererseits könnten die Hardliner den Notstand nutzen, um Freiheiten einzuschränken und dringende Reformen zu blockieren. Ein halbes Jahr - und einen israelischen Angriff auf syrisches Territorium - später sind sich die meisten Oppositionellen in Syrien sicher: Je stärker die USA und Israel Syrien unter Druck setzen, desto schlechter auch für sie.

"Seit dem Irakkrieg wurden in Syrien mehr politische Gegner festgenommen als früher", stellt der Vorsitzende der Syrischen Menschenrechtsvereinigung, Haitam Maleh, fest. Er schätzt die Zahl für 2003 auf 700. Dabei geht das Regime zweigleisig vor, meint die Ärztin Maya al-Rahabi von der Zivilgesellschaftsbewegung: "Die großen Namen werden geschont, weil sich Syrien nach außen jetzt kein schlechtes Image leisten kann." Die Baathisten gehen Kompromisse ein - auch weil es galt, das Assoziationsabkommen mit der EU zum Abschluss zu bringen. An der üblichen Klausel über Menschenrechte ließen die Europäer nicht rütteln. "Doch für die meisten von uns ist die Arbeit schwieriger geworden", klagt Rahabi.

Intellektuelle in Damaskus beobachten gleichzeitig Brüche und Inkonsequenzen in der politischen Führung. "Seit etwa zwei Jahren gibt es in Syrien nicht mehr eine einheitliche Meinung des Staates, sondern mehrere", erklärt der Journalist Baba, der auch Chefredakteur der kürzlich verbotenen Zeitschrift Domari war. Domari-Anwalt Anwar al-Bonni spricht daher von "verschiedenen Machtzentren", die sich gegenseitig blockieren. "Es gibt kein zusammenhängendes politisches Konzept mehr", sagt er. "Das ist nach dem Irakkrieg noch deutlicher geworden."

Doch mehr Freiheit bedeute das nicht. "Der US-Druck führt nur dazu, dass eine Form der Diktatur durch eine andere abgelöst wird, nicht durch Demokratie." Die aggressive Haltung Israels, mit dem sich Syrien offiziell immer noch im Kriegszustand befindet, diene den Herrschenden immer stärker als Ausrede, überhaupt nichts zu verändern, heißt es einmütig in der Opposition.

Andererseits gibt es Anstrengungen, das Ausland von der syrischen "Rechtsstaatlichkeit im Ausnahmezustand" zu überzeugen. So wurde zum Prozessbeginn gegen "Mitglieder einer regierungsfeindlichen Organisation" einer Delegation europäischer Diplomaten Ende Oktober im Militärtribunal quasi der rote Teppich ausgerollt. Bisher konnten sie froh sein, wenn sie überhaupt als Zuschauer im Gerichtssaal Präsenz zeigen durften. Diesmal empfingen der Vorsitzende des Militärtribunals und der Chefankläger persönlich die überraschten Staatsvertreter.

"Mehrere Mafias"

Den Menschenrechtler Maleh beeindrucken diese Gesten nicht. Bashars Vater Hafiz Al-Assad habe dagegen noch Angst und Schrecken verbreitet. Jetzt habe sich die Atmosphäre geändert - aber nur die Atmosphäre. Trotz seiner deftigen Kritik am Regime hat Maleh den Glauben an die guten Absichten des Präsidenten noch nicht aufgegeben, wie viele Syrer, besonders Jugendliche und Angehörige religiöser Minderheiten, auch, die alle auf lange versprochene Reformen hoffen. "Der junge Bashar ist ein Gefangener seiner Machtclique", meint der 72-Jährige. "Das Land wird von mehreren Mafias regiert. Syrien ist eine Kuh, und deren Milch geht in ihre Taschen. Kein Tropfen kommt zu uns."

Doch die Syrer müssen sich von selbst einen Ruck geben, sagt er. Auf die Hilfe der USA können sie verzichten. Denn Washington sei ohnehin nicht an wirklicher Demokratie interessiert, nur an gefügigen Regimes. Deshalb sein Rat an die Amerikaner: "Nehmt Eure Nase heraus aus unseren Angelegenheiten und aus dieser Gegend. Unterstützt überhaupt keine Diktatur. Damit werdet ihr uns automatisch helfen!" (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5./6.1.2004)