Seit elf Jahren sitz der wegen 150-fachen Mordes inhaftierte Salvatore Riina in Isolationshaft
Redaktion
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Rom - Der "Boss der Bosse", der mindestens 150 Menschen
umbrachte, ist etwas über 1,50 Meter groß, übergewichtig und hat
unter anderem Probleme mit der Schilddrüse. Alte Freunde dürfen ihn
im sizilianischen Dialekt "Toto u curtu" nennen, Toto der Kurze. Der
Mann in der Strickjacke fleht heute um Gnade. "Ich bin 74 Jahre alt,
habe zwei Herzinfarkte und drei Bypass-Operationen hinter mir und bin
seit elf Jahren in Isolationshaft." Zu 20 Mal lebenslanger Haft ist
Salvatore (Totò) Riina verurteilt. Heute sitzt er in einer
Hochsicherheits-Zelle in Mailand und will nur noch eins:
"menschenwürdige Haftbedingungen".
Seit längerem wird in Italien über die harten Haftbedingungen
gestritten. Früher ließen sich sizilianische Mafia-"Paten" im
Gefängnis Kaviar und Champagner auftischen und von Prostituierten
verwöhnen. Heute leben gut 630 Bosse in 13 Gefängnissen des Landes
unter den schärfsten Bedingungen - kein Kontakt zu Mitgefangenen,
sehr eingeschränkter Kontakt zur Familie draußen, und ansonsten karge
Verhältnisse in der Zelle. Dem zu entkommen, gibt es nur einen Ausweg
- mit der Justiz zusammenarbeiten.
Waffenstillstand
Den Mafiosi im Knast hat das ganz schön zugesetzt. Immer wieder
gibt es Berichte, die Cosa Nostra in Sizilien wolle einen
"Waffenstillstand", sei zum "Stillhalten" bereit. Immerhin ließ sich
schon vor Monaten ein in Palermo inhaftierter Boss zu einem
liebenswürdigen Brief an den Staatsanwalt herab: "Nur durch ein
offenes und aufrichtiges Zusammentreffen lassen sich Lösungen finden,
aus denen positive Früchte erwachsen können." Von Dialog und neuer
Ära war die Rede.
"Die Mafia-Häftlinge haben 1.000 Tricks, um ihre Befehle und
Botschaften nach draußen zu schmuggeln", kontert einer der
profiliertesten Mafia-Staatsanwälte Piero Grasso. Energisch warnt er
vor allen Hafterleichterungen - die einsitzenden Mafiosi müssten
stattdessen zum Reden gezwungen werden.
"Friedliche Koexistenz"
Tatsächlich ist es zum Thema Mafia in Italien seit geraumer Zeit
eigenartig ruhig geworden. Böse Zungen sprechen bereits wieder von
einer "Phase der friedlichen Koexistenz", wie sie in den 80er Jahren
zwischen Mafia und dem Staat herrschte. "Dass unter der Regierung von
Silvio Berlusconi wenig über die Mafia geredet wird, heißt nicht,
dass diese nicht mehr existiert", meint ein Experte in Rom.
Dass es derzeit weit weniger Mafiagewalt als früher gibt, deutet
nach Meinung von Fahndern eher auf die neue Stärke als auf die
Schwäche des "Kraken" hin. Spezialisten schreiben in einem
Kommissionsbericht, Ziel der neuen Mafia sei es, "totale
Unsichtbarkeit der Organisation" zu erreichen. "Keine Gewalt, kein
Aufsehen", stattdessen Unterwanderung legaler Geschäftsbereiche.
Da waren die Zeiten von "Toto dem Kurzen", dem Mann mit der
Strickjacke und den Herzinfarkten, noch ganz andere. Nicht mal ganz
19 Jahre alt war er bei seinem ersten Mord. Später brach er den
"großen Mafiakrieg" vom Zaun, in dem sein Clan aus dem berüchtigten
Corleone gegen die anderen Familien kämpfte. Bilanz: mindestens 300
Tote. Dennoch wagte es der Mann, öffentlich zu heiraten und seine
Kinder in einer Messe taufen zu lassen - er wusste, dass die Polizei
wegschaut. (APA/dpa)
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