Tumorzellen der an Rhabdomyosarkom erkrankten Mäuse ... die chemischen Eigenschaften sind identisch mit denen menschlicher Tumorzellen.

Foto: IMP 2004
Wien - Wissenschafter vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien konnten jetzt zeigen, dass die als Onkogen "verrufene" Erbanlage Fos bei bestimmten Weichteiltumoren (Rhabdomyosarkom; RMS) auch zu deren Rückgang beitragen kann. Eine entsprechende Arbeit ist jetzt in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Cancer Cell" (4:477-482) erschienen.

"Das Rhabdomyosarkom (RMS) ist der häufigste Weichteiltumor im Kindesalter. Es nimmt seinen Ursprung von den Muskelzellen und betrifft am häufigsten den Kopf- und Halsbereich. Etwa fünf bis acht Prozent aller Krebserkrankungen bei Kindern entfallen auf RMS", teilte das IMP, die seit Jahren vom deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim in Wien betriebene Grundlagenforschungseinrichtung, am Donnerstag in einer Aussendung mit.

Studien an Mäusen

Über die genetischen Veränderungen, die dieser Entartung des Muskelgewebes zu Grunde liegen, war bisher kaum etwas bekannt. Nun haben neueste Forschungsergebnisse des Teams um Univ.-Prof. Dr. Erwin Wagner diesen Mechanismus in Ansätzen klären können und sind dabei auf überraschende Erkenntnisse gestoßen.

Die Wissenschafter am IMP beschäftigen sich intensiv mit Genen, die Tumore auslösen können, so genannte Onkogene. Eines davon - Fos - ist seit Jahren Forschungsgegenstand von Wagners Arbeitsgruppe. Ist es überaktiv, so entsteht bei Mäusen Knochenkrebs.

Nun gelang es den Experten, Fos in Mäusen auszuschalten, bei denen zuvor bereits ein anderes Gen mit dem Namen Trp53 inaktiviert wurde. Trp53 (auch als p53 bekannt) ist in zahlreichen Tumoren mutiert; sein Fehlen wird mit einem ganzen Spektrum bösartiger Erkrankungen in Zusammenhang gebracht.

Überraschende Erkenntnis

"Mäuse ohne Fos und Trp53 entwickeln rasch charakteristische Tumore an Kopf und Hals. Der Zeitpunkt der Entstehung, die Lokalisation und die chemischen Eigenschaften des Gewebes lassen keinen Zweifel daran: die Mäuse leiden an Rhabdomyosarkom. Damit steht nun erstmals ein adäquates Tiermodell für die Erkrankung zur Verfügung. Nicht nur die molekularen Mechanismen der Tumorentstehung sollen dadurch leichter zugänglich werden; auch die Hoffnung auf neue Ansätze für zukünftige Therapien ist damit verbunden."

Die Forscher gingen bei ihren Versuchen noch einen Schritt weiter: in kultivierten Tumorzellen schalteten sie Fos wieder ein und beobachteten daraufhin ein teilweises Absterben der Krebszellen. Dieses - auch für die Wissenschafter überraschende - Ergebnis beweise, dass Fos unter gewissen Umständen sogar vor Tumoren schützen könne. Ein Onkogen kann also in bestimmten Situationen die entgegengesetzte Funktion übernehmen und zum Tumorsuppressorgen werden.

Wagner, der mit dieser Entdeckung nicht gerechnet hatte, mahnte deshalb zu größerer Zurückhaltung bei der Klassifizierung von Genen: "Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir ein Gen als Onkogen bezeichnen, da die Funktion je nach Zelltyp ganz unterschiedlich sein kann." (APA/red)