Mailand - Die Ermittlungen um den insolventen italienischen Nahrungsmittelkonzern Parmalat werden immer bunter: Die Staatsanwälte in Mailand vernahmen einen Telefonisten des Milchmultis, Angelo Ugolotti, der ohne sein Wissen in den Aufsichtsräten von rund 30 ausländischen Tochtergesellschaften des norditalienischen Milchkonzerns saß.

Ugolotti war einer der Strohmänner, denen sich Parmalat-Firmengründer Calisto Tanzi für seine fiktive Auslandsgesellschaften bediente. Er habe ohne nachzufragen alles unterzeichnet, was ihm die Geschäftsführung unterbreitet habe, rechtfertigte sich Ugolotti vor den Staatsanwälten.

Bumerang

Der Skandal wird immer mehr zu einem Bumerang für die internationale Finanz- und Industrieszene. Freitag hat die Mailänder Finanzpolizei den Sitz der Bank of America nach verdächtigem Material untersucht, bereits einen Tag zuvor wurden Dokumente des Wirtschaftsprüfer Deloitte & Touche beschlagnahmt. Gerüchte, wonach ein sieben Mrd. € schwerer "Schatz" des Unternehmergründers Tanzi bei US-Banken deponiert sei, erwiesen sich indes als Flop.

Inzwischen hat sich der seit zehn Tagen flüchtige Chef der einzigen "gesunden" südamerikanischen Parmalat-Tochter in Venezuela, Giovanni Bonici, der Polizei gestellt. Er steht im Verdacht der Mithilfe zum Betrug. Seine Aussagen sollen Licht in den Milliardenschwindel bringen - in den Bilanzen des Milchmultis fehlen sieben bis zehn Mrd. Euro.

Die Luxemburger Behörden führen indes Ermittlungen über Geldwäscherei durch. In Ecuador und auf Malta sind Untersuchungen nach geheimnisvollen Bankkonten und Überweisungen Hunderter Mio. Euro im Gange.

Bankmanager verhört

Das Aushängeschild des deutschen Kreditgewerbes, die Deutsche Bank, ist tiefer in den Parmalat-Finanzskandal verwickelt als ursprünglich angenommen. Die Untersuchungsrichter in Parma haben bereits zur Wochenmitte vier Bankmanager verhört, die sich "keineswegs kooperativ" gezeigt haben. Ermittelt wird wegen Mithilfe zum Betrug.

Die Deutsche Bank hatte noch im Herbst eine 350-Mio.-Euro-Parmalat-Anleihe begeben, ihre Beteiligung überraschenderweise von ursprünglich 2,5 Prozent auf fünf Prozent aufgestockt. Die Beteiligung wurde gerade noch in letzter Minute vor dem endgültigen Krach abgebaut.

Die US-Bank Citigroup steht ebenfalls im Visier der Ermittlungen: mit 500 Mio. Euro Ausständen habe sie dem Konzern auch noch andere, ominöse Dienstleistungen angeboten.

Bei den Parmalat-Töchtern, dem Fußballverein AC Parma und der Reisegesellschaft Parmatour brodelt es ebenfalls. Tanzi-Sohn Stefano will sein Präsidentenamt des Klubs nicht aufgeben, Schwester Francesca sträubt sich, vom Chefposten bei Parmatour zurückzutreten. Parmatour soll Schulden von über zwei Mrd. Euro aufweisen.

Inzwischen nimmt der Sanierungsplan von Konkursverwalter Enrico Bondi Konturen an: Laut Finanzkreisen steht eine Zerschlagung des Konzerns, die Konzentration auf das Kerngeschäft und die Beteiligung der Gläubigerbanken bevor. Die EU überprüft zudem zurzeit, ob das von der Regierung erlassene "Parmalat-Dekret" mit neuen Bestimmungen für insolvente Großunternehmen vereinbar ist. (DER STANDARD Printausgabe, 10./11.01.2004´, Thesy Kness-Bastaroli)