Die Erklärung des Exdiktators Saddam Hussein zum "Kriegsgefangenen" durch das Pentagon am vergangenen Freitag ist von der irakischen Übergangselite pikiert aufgenommen worden. "Für uns ist er weiterhin ein Krimineller", meinte der Saddam-kritische Richter Dara Noraldin, ein Mitglied des provisorischen Regierungsrats. Der provisorische Justizminister Hashim Abdul-Rahman bezeichnete die Klassifizierung der Pentagon-Rechtsanwälte als "bloße Meinung". "Wir werden seinen legalen Status bestimmen, wenn er den irakischen Behörden ausgehändigt wird."Die Amerikaner in Bagdad bemühten sich auch umgehend, die Bedeutung dieses Schrittes herunterzuspielen. "Diese Bezeichnung belässt seinen endgültigen Status unbestimmt und unberührt", sagte US-Verwaltungssprecher Dan Senor am Samstag in Bagdad. US-Präsident George W. Bush habe bereits früher angekündigt, dass sich Saddam für seine Missetaten vor einem irakischen Gericht wird verantworten müssen. Bekanntlich empfahl Bush diesem auch gleich, ihn zum Tode zu verurteilen. Großes Bedürfnis

Der provisorische Regierungsrat plant in den kommenden Wochen, ein Sondertribunal für die Verurteilung jener Regimepolitiker auf die Beine zu stellen, die sich schwerer Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen schuldig machten. Auch in der Bevölkerung herrscht ein großes Bedürfnis, Saddam und Komplizen vor einem irakischen Gericht zu sehen. Dort sollen sie über die von ihnen begangenen oder angeordneten Massenmorde, Vertreibungen, Folterungen und Unterschlagungen des nationalen Vermögens Rechenschaft ablegen.

Doch im Irak fehlt es an einem kompetenten Justizapparat, um Verfahren dieser Größenordnung sauber durchzuziehen. US-Chefverwalter Paul Bremer erklärte der arabischen Zeitung Al-Hayat, dass Saddam frühestens in der zweiten Hälfte dieses Jahres an die Bagdader Behörden ausgeliefert wird.

Darin liegt nach Beobachtern auch der tiefere Sinn der Zuerkennung des Kriegsgefangenenstatus an Saddam. Die Amerikaner schirmen ihn vorerst vor den Irakern ab - als Kriegsgefangener darf er von irakischen Ermittlern nicht verhört werden. Und sie bestimmen selbst, wann sie ihn dem Bagdader Tribunal aushändigen. Im November stellt sich Bush der Wiederwahl.

Seine Strategen halten sich alle Optionen offen. Ob sie auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs einen medienwirksamen Saddam-Prozess "brauchen" oder nicht, wird davon abhängen, wie gut die von der Bush-Regierung konstruierte "Personifikation des Bösen" vor einem Bagdader Gericht wirklich "rüberkommt". (DER STANDARD, Printausgabe, 12.1.2004)