Foto: Thomas Rottenberg

In einer kleinen Gemeinde südlich von Melk stellt ein Sammler derzeit die schönsten seiner 300 Flipper aus. Die vom Aussterben bedrohten Spielautomaten sind aber mehr als Nostalgie- Artefakte: Sie spiegeln Zeitgeist und Freizeittechnik des vergangenen Jahrhunderts wider.

Die Öffnungszeiten sind absurd. Aber in der Galerie im Gemeindeamt von St. Leonhard – zehn Kilometer südlich von Melk – sind sie halt immer so: Samstag und Sonntag von 8.30 bis zwölf Uhr. "Am Samstag solange die Geschäfte offen haben. Am Sonntag so, dass man nach der Kirche vorbeischauen kann", erklärt Günter Freinberger.

Normalerweise, wenn hier Bilder lokaler Künstler hängen, passt das. Aber Freinberger ist kein Künstler. Er sammelt. Flipper. Und die 20 schönsten Pinball-Maschinen seiner 300 Exemplare großen Sammlung stellt der Radio-und Fernsehtechniker derzeit – noch kommendes Wochenende (die Öffnungszeiten sollen ausgedehnt werden) – in St. Leonhard aus.

Und deshalb wummert es in der Galerie wie in einer Prater-Spielhalle zu Beginn der 90er-Jahre: "Let the game begin", fordert der "Joker" (Jahrgang 1989). Kugeln klackern, Glocken klingeln, Fanfaren tröten – und "Village People" wummern aus Wurlitzern (die sammelt Freinberger nämlich auch).

Das Sammlervirus, erzählt der 42-Jährige in seinem Flipperlager am Ortsrand, habe ihn vor sieben Jahren erwischt. Sicher, er habe "schon als Bub geflippert und "die Freispiele zum halben Preis verkauft". Aber ausgebrochen sei die Sammelleidenschaft, als er beim Sammler "Pinjost" (Freinberger selbst heißt in der Szene "Pindigi") dessen hundert Flipper sah.

Mittlerweile hat Pindigi seinen Mentor abgehängt. Nur in Las Vegas soll es einen Sammler geben, der noch mehr Flipper besitzt als er. Und gezählt werden nur intakte Geräte.

Bagatelle

Der Ursprung, das Spiel "Bagatelle", bei dem Murmeln in Löcher mit verschiedenen Werten versenkt werden, liegt im 17. Jahrhundert. Seit 1871, der "Erfindung" des Flippers, produzierten die drei großen Hersteller (Williams, Bally und Gottlieb) rund 1000 Designs und Varianten. Und die sind kultur- wie freizeitgeschichtlich interessant.

Nicht nur weil die Displays, Targets, Sound- und Lichteffekte stets Spiegel des aktuellen Standes der (Unterhaltungs-)Technik waren – die Automaten selbst waren immer auch Dokumente des Zeitgeists: Die Beatlemania brachte "Beat Time" (1967) – die Band am Bild hieß nur aus Copyrightgründen "Bottles". Der Rockoper "Tommy" von den Who folgte 1975 "Wizzard" mit Roger Daltrey und Anne Margret am Display, 1976 – "Tommy" war verfilmt – war Elton John "Captain Fantastic". Das Hintergrundbild musste wegen pornografischer Details "entschärft" werden – dass Adolf Hitler vom Bildrand grinste, störte niemanden. Und als Russen und Amerikaner 1976 ihre Raumfähren aneinander koppelten, würdigte die Firma Bally das mit "Space Mission".

Da Flipper – seit 2001 – nicht mehr hergestellt werden steigt auch ihr Wert rasant: Gab es die Kisten vor drei Jahren ab 400 Mark, sind sie heute nicht unter 400 Euro zu bekommen. Preise ab 2000 Euro sind realistisch.

Und weil Flipper aus Wirtshäusern und Spielhallen verschwinden, weiß Freinberger, dass seine Sammlung an Wert gewinnen wird. Dass er seine Besucher in zehn Jahren immer noch spielen lassen wird, ist deshalb unwahrscheinlich: Schließlich darf man in Museen ja auch nicht Ritterrüstungen anprobieren oder historische Autos Probe fahren. "Meine Sammlung", weiß Freinberger deshalb, "wäre mittlerweile ja auch groß genug für ein echtes Museum." Und dort wäre dann auch die Frage der Öffnungszeiten kein Thema. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD; Printausgabe, 12.1.2004)