STANDARD: Was war der Hintergrund für die Entscheidung, sich auf vier Themenbereiche zu konzentrieren?

Gornik: Jede größere Forschungseinheit muss sich überlegen, in welche Kernkompetenzen sie investiert, sodass sie damit weltweit sichtbar wird. Wenn man in vielen Themen gut ist, aber nirgendwo dominiert, entsteht - speziell was Aufträge der Industrie betrifft - eine schlechte Wettbewerbssituation. In den Austrian Research Centers haben wir mit den Informationstechnologien, der Biotechnologie und -informatik und der Systemforschung drei Felder mit hoher Qualität. Bei den Nanotechnologien ist die wissenschaftliche Basis noch dünn. Diese Lücke muss man schließen, weil in fünf bis zehn Jahren die Nanowissenschaften ein wichtiger Treiber der Industrie sein werden.

STANDARD: Wie kann man sich die Etablierung dieses für die ARC relativ neuen Themas konkret vorstellen?

Gornik: Den Nanobereich bauen wir gerade personell auf. Dort sollen in drei Jahren etwa 50 Leute beschäftigt sein, wobei es zwei Teilbereiche geben wird: Der eine wird sich auf neue Entwicklungen bei Halbleiter- und Festkörper-Nanostrukturen für Anwendungen in neuen Materialien konzentrieren, der andere auf biologische und medizinische Anwendungen wie die Verbindung von Elektronik mit Biorezeptoren. Für die beiden Bereiche werden zwei Leiter gesucht, die durch ihr Renommee gute Leute anziehen.

STANDARD: Und was passiert in den etablierten Feldern?

Gornik: Dort versuchen wir hauptsächlich, bestehende Institute und Forscher zu vernetzen. Über die vier zentralen Säulen lassen sich etwa 80 Prozent des Unternehmens abbilden. Und dann soll es noch 20 Prozent geben, die etwas anderes tun. Vergleichbar einem See, in dem vier Eisplatten sichtbar und tragfähig sind, trotzdem aber noch genug Wasser bleibt, damit sich die Platten bewegen können.

STANDARD: Ist man in Österreich mit der Etablierung der Nanowissenschaften im internationalen Vergleich nicht schon ein bisschen spät dran?

Gornik: Österreich ist sicherlich hinten, weil es keine koordinierte Initiative gab. Vereinzelte Forschungsaktivitäten gibt es schon länger, aber man beginnt nun erst mit der Vernetzung, was etwa die Schweiz oder die Niederlande schon länger vorantreiben. Wo es Synergien gibt, sollen die Forscher zusammengebracht werden. Denn die Beschäftigung mit Nanotechnologien hat ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit fast keinen Sinn. Wenn man aber das vorhandene Potenzial jetzt vernetzt, haben wir noch die Chance mitzuhalten. Blieben wir in den nächsten drei bis vier Jahren bewegungslos, wäre der Zug abgefahren.

STANDARD: Was fasziniert Sie denn an der Beschäftigung mit dem winzig Kleinen?

Gornik: Letztlich ist das ganze Leben Nanotechnologie, jede Zelle ist "nano", die Erbinformation ist gespeichert in der DNA, sozusagen einer Supernano-Einheit. Jede Zelle trägt ihren kleinen Nano-Computer mit sich, der enorm viel Information trägt und die man auslesen kann. Derzeit können wir künstlich nur geordnete Nanoteilchen herstellen. Wir schaffen es noch nicht, dass sie sich selber reproduzieren. Das ist der weite und sehr faszinierende Weg. Wir werden durch die Nanotechnologien entdecken, warum etwas zu leben beginnt. Ab welchem Komplexitätsgrad einer Struktur beginnt sie, sich selbst zu organisieren und zu leben? Denn leben heißt auf die unterste Ebene heruntergebrochen nur, dass eine Einheit beginnt, Energie für bestimmte Prozesse umzusetzen. Wir müssen wie die Natur lernen, mit den mikroskopischen Eigenschaften umzugehen.

STANDARD: Andere Frage: Wie sehen Sie den oft beklagten Personalmangel in der Forschung?

Gornik: Das Problem in Österreich ist, dass immer noch ein großer Teil der guten Leute auswandert. Wenn wir nur die Auswanderer halten könnten und zusätzlich das Frauenpotenzial besser ausschöpfen, wäre uns schon weitergeholfen. Hätten wir einen international vergleichbaren Frauenanteil in der Forschung, wäre unser Personalproblem wahrscheinlich für die nächsten zehn Jahre gelöst.

STANDARD: Spielt die EU-Erweiterung für die strategische Positionierung der Austrian Research Centers eine Rolle?

Gornik: Sie spielt eine große Rolle, weil uns im so genannten Osten eine starke und sehr ernst zu nehmende Konkurrenz heranwächst. Gleichzeitig bietet sich uns eine große Chance. Die Wissenschafter in den Beitrittsländern sind sehr gut ausgebildet. Kurzfristig sehe ich diese Länder auch als Pool für qualifizierte Mitarbeiter. Mittelfristig wird die Emigration aber nachlassen, und die Staaten werden in fachliche und preisliche Konkurrenz zu uns treten. Deshalb müssen wir uns auf Exzellenzfelder beschränken, damit wir dann über den Preis nicht mehr so angreifbar sind, sondern durch Qualität bestehen können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 1. 2004)