Bild nicht mehr verfügbar.

Zu Tausenden waren die Demonstranten zum Teil aus der Provinz angereist, um nach einem Aufruf der rechtskonservativen "Bürgerkreise" für das Verbot des Budapester Lokalsenders Radio Tilos zu demonstrieren

Foto :APA/MTI/Katalin Sandor
Mit beschwörender Geste reckten sie Kruzifixe in die Höhe, die vielen braven Omas mit Pelzmützen, am Sonntagnachmittag in Budapest. Es galt, die angeblich in Ungarn verfolgten Christen zu verteidigen. Am Ende der Kundgebung brannte die israelische Fahne. Israels Botschaft protestierte gegen die Schändung ihres Staatssymbols.

Zu Tausenden waren die Demonstranten zum Teil aus der Provinz angereist, um nach einem Aufruf der rechtskonservativen "Bürgerkreise" für das Verbot des Budapester Lokalsenders Radio Tilos zu demonstrieren. Der Anlass: Ein Moderator von Radio Tilos hatte ausgerechnet am Heiligen Abend in einer Talk-Sendung gesagt, er wolle "die gesamte Christenheit ausrotten". Zwar entschuldigte sich die Sendeleitung bald darauf und entließ den, wie es hieß, betrunkenen Moderator. Doch die Medienaufsichtsbehörde des Landes, ORTT, konnte sich vergangene Woche zu keiner Maßnahme gegen den Sender entschließen. Diese Woche stehen dazu neue Beratungen bevor.

Der professionelle Fehltritt der Rundfunkanstalt droht nun in Ungarn den ohnehin in ultrarechten Kreisen grassierenden Antisemitismus weiter anzuheizen. Zwar distanzierten sich einzelne Organisationen der Demonstration von der Verbrennungsaktion. Zuvor hatten aber prominente Ultrarechte unter großem Beifall das Wort ergriffen, darunter der Journalist István Lovas. Er verlangte "null Toleranz" gegen jene "Minderheit", die "das ungarische Volk und die Christenheit hasst" und diese "seit 50 Jahren quält und verhöhnt".

Schon seit Monaten spalten Debatten über den Umgang mit der rassistischen Hetze Ungarns Öffentlichkeit. Nahrung gab eine Serie von rassistischen Vorfällen in Gerichtssälen. Sie warfen die Frage auf, ob Ungarns Richter Rassismus zu milde bestrafen oder gar selbst zu Rassismus neigten.

Abhilfe schaffen sollte die im Dezember vom Parlament verabschiedete Verschärfung des Strafgesetzes gegen Hetze. Doch die Diskussion dazu ist noch nicht ausgestanden. Schon das Parlamentsvotum kam mit knapper Mehrheit, gegen die Stimmen der rechten Opposition, zustande. Auch einige der mit den Sozia-listen regierenden Liberalen stimmten dagegen. Danach wandte sich auch Staatspräsident Ferenc Mádl dagegen. Er verlangte, dass das neue Gesetz vom Verfassungsgericht geprüft werde, denn es könne die Meinungsfreiheit gefährden. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2004)