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REUTERS/KEVIN LAMARQUE
Nahezu tagtäglich neue Höchststände des Euros zum Dollar sind auch heuer schon fast zur Gewohnheit geworden. Die amerikanische Valuta setzt bis dato die Talfahrt des vorangegangenen Jahres unverändert fort, und nichts scheint sie aufhalten zu können. Als Ursache wird das so genannte Zwillingsdefizit zitiert: Die Kombination aus Haushalt- und Aussenhandelsdefizit belaste den "Greenback", heisst es. Die genaue Kausalkette bleiben uns die Kommentatoren zumeist schuldig.

Dünne Beweiskette

Der Zusammenhang zwischen Zwillingsdefizit und Währungsschwäche ist theoretisch weniger gesichert, als gemeinhin angenommen wird. Gemäss Lehrbuch sollte eine expansive Fiskalpolitik höhere Zinsen und ceteris paribus einen Kapitalzufluss zur Folge haben, der die lokale Währung stärkt. Ein Leistungsbilanzdefizit ist zumeist die Wirkung einer zu starken Währung und an sich nicht die Ursache einer schwachen.

Um die derzeitige Dollarschwäche zu begründen, bedarf es also einer anderen Erklärung, die dem Erfahrungsschatz der Entwicklungsländer entliehen wird. In diesen Staaten wird ein Zwillingsdefizit als Vorbote einer baldigen Abwertung der lokalen Währung gesehen. Der Wertverlust der heimischen Valuta signalisiert dem Ausland einen stetigen, nicht nachhaltigen Anstieg der Staatsverschuldung des gesamten Landes. Dies wird von den ausländischen Investoren unweigerlich mit einer Vertrauenskrise quittiert. Die Krise umfasst meist eine massive Einbusse im Wert der jeweiligen Landeswährung und eine scharfe Erhöhung der inländischen Zinsen.

Kurzsichtige US-Politik

Tatsächlich ist eine Reihe fundamentaler Kräfte am Werk, die den Dollar wohl auch bis auf weiteres unter Druck setzen werden. Vornehmlich sind dies die Selbstverpflichtung der US-Notenbank, die Zinsen auf geraume Zeit auf niedrigem Niveau zu belassen, dazu das durch die expansive Fiskalpolitik angeheizte US-Wachstum und die dadurch geschaffene erhöhte Importnachfrage sowie nicht zuletzt der Widerwille der US-Behörden, der Dollarschwäche mit Interventionen zu begegnen.

Die Kommentare des US-Notenbank-Gouverneurs Bernanke und des Finanzministers John Snow haben in den letzten Tagen deutlich gemacht, dass die Dollarschwäche den USA im Sinne einer exportorientierten Konjunkturbelebung sogar gelegen kommt. Hohes Wirtschaftswachstum gepaart mit Deflationsgefahr prägt offensichtlich den schwer nachvollziehbaren Wirtschaftsausblick der Fed-Spitze. Anders gesagt: Die Zentralbank verspricht den Bürgern hohe Produktivitätsgewinne bei rekordtiefen Kapitalkosten!

Die USA sind - doch - kein Schwellenland

Auch wenn die Aussagen der US-(Finanz)Granden sich auf breiter Front mehr und mehr den europäischen Gepflogenheiten in Sachen inhaltlicher Gehalt und Wahrheit nähern, muss konstatiert werden:

1. Die US-Ökonomie bleibt eine der attraktivsten Volkswirtschaften für Investoren, und jede Abschwächung des Dollars wird immer wieder Anleger zum Wiedereinstieg bewegen.

2. Die langfristigen US-Zinsen lassen nach wie vor keinerlei Anzeichen von Panikverkäufen erkennen.

3. Zudem wurden in Japan im Jahr 2003 20.000 Milliarden Yen - eine Umrechnung in Euro erscheint im Sinne der Vorstellungskraft wenig sinnvoll - für Stützungskäufe der US-Währung ausgegeben. Ein Ende dieser Eingriffe ist nicht abzusehen. Per Jahresende vereinbarten die japanische Notenbank und Finanzministerium, dass Mittel bis zu 71.000 Milliarden Yen - Umrechnung siehe oben - zur Verfügung stehen sollen, um eine Aufwertung zur US-Währung abzufedern. Auch die neue Wachstumslokomotive China wendet Milliardenbeträge auf, um einen fixen Wechselkurs zum Dollar aufrechtzuerhalten, der nach Meinung von Experten deutlich unter dem wirtschaftlich gerechtfertigten Wert liegt.

Let it shine....

Wenn sich am 5. und 6. Februar die Finanzminister der sieben führenden Industrieländer (G-7) im sonnigen Boca Raton (Florida) treffen, dürften die aktuellen Währungsfragen rund um den schwächelnden Dollar im Mittelpunkt der Gespräche stehen. Und die Finanzwelt wird danach ebenso gespannt wie jüngst schon den Worten des Chefs der Europäischen Zentralbank(EZB), Jean-Claude Trichets, folgen. Tatsächlich liegt der kurzfristige Schlüssel für ein Ende der Dollarschwäche in den Händen der Fed-Gouverneure. Solange sie ihre außergewöhnliche Tiefzinspolitik nicht beenden, wird sich die US-Währung nicht wirklich erholen.

Aber in Summe sind die aktuellen Dollar-Wechselkurse für den umsichtig und damit bekanntlich langfristig orientierten Anleger eine Einladung zum spekulativen Kauf!