Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/DUHR
Wien - Nach Ansicht des Zoologen und Gelsenforschers Bernhard Seidel könnte das seit einigen Jahren vor allem in Ostösterreich zu beobachtende Amselsterben gleichsam nur die Spitze eines Eisbergs sein. "Es gibt Beobachtungen, etwa an Futterhäuschen, wonach es in Wien und Niederösterreich lokal zu drastischen Rückgängen der ganzen Vogelwelt gekommen ist", so Seidel. Es sei auch nicht auszuschließen, dass nicht nur Vögel, sondern auch Amphibien vom ursprünglich aus Afrika kommenden Usutu-Virus getötet werden.

Etwa im Gebiet Persenbeug (NÖ) und im Westen Wiens ist laut Seidel von vertrauenswürdigen Beobachtern über völlig verwaiste Futterhäuschen berichtet worden. Faktum ist, dass das Usutu-Virus nicht ausschließlich Amseln befällt. Virologen der Veterinärmedizinischen Universität Wien (VUW) konnten den Erreger bisher auch in Bartkäuzen, Blaumeisen, Haussperlingen, Kohlmeisen, Singdrosseln und Kleibern nachweisen. Allerdings seien solche Fälle bisher lediglich vereinzelt aufgetreten, so der VUW-Virologe Herbert Weissenböck.

Gelsenarten als Überträger

Seidel vermutet, dass verendete Amseln - als relativ große und auffällige Vögel - einfach leichter gefunden und dann zur Untersuchung an die VUW eingeschickt werden. "Etwa tote Sperlinge oder andere kleine Tiere fallen wesentlich weniger auf", so der Zoologe. Als Überträger des Virus gelten Gelsenarten. Vor allem so genannte Hausgelsen, die in engem Kontakt mit Menschen in Städten und Dörfern leben, übertragen den Erreger von Vogel zu Vogel.

"Wir haben bereits von zwei Jahren Usutu-Viren in Gelsenlarven gefunden, das bedeutet, dass die Erreger von der Blut saugenden Mutter nicht nur wieder an Vögel, sondern auch an die Brut weiter gegeben werden", berichtete Seidel. Damit könnte es binnen weniger Jahre zu einer echten Epidemie kommen. Was allerdings auffällt ist, dass das Virus kältere Gebiete Österreichs, wie etwa das Waldviertel, bisher verschont hat.

Mehr Forschung nötig

Der Gelsen-Experte rät, überwinternden Hausgelsen möglichst den Garaus zu machen. Sie bevorzugen etwa kalte, feuchte Keller, bei einer Inspektion im Winter können die relativ großen Mücken leicht aufgespürt und vernichtet werden. Auf jeden Fall ist nach Ansicht Seidels mehr Forschung nötig. Gesicherte Daten über das Usutu-Virus lägen bisher kaum vor.

Bei der Vogelschutzorganisation BirdLife - die auch regelmäßige Vogelzählungen organisiert - kann man den Aussagen Seidels nicht viel abgewinnen. "Ich halte die Sache für an den Haaren herbeigezogen", so BirdLife-Geschäftsführer Andreas Ranner. Während der Brutsaison sei - außer lokal bei den Amseln - über keine dramatischen Einbrüche von irgendwelchen Vogelarten berichtet worden. Laut Eva Karner-Ranner ist es dagegen durchaus normal, wenn Futterhäuschen in manchen Wintern schlechter besucht werden. Ursache dafür seien so genannt Strichbewegungen, kleinräumige Wanderungen der Vögel. (APA)