Körperwartung braucht keine Fun-Oasen: Kieser vor den grauen Maschinen

Foto: Kirchner
Werner Kieser ist ein Missionar, einer, der bekehren will, wen immer er trifft. Keine Minute ist vergangen bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme, schon sorgt er sich um das Wohl seines Gesprächspartners: "Hören Sie, Ihr Körper muss doch gewartet werden!" Am besten in einem seiner Trainingszentren. Diese Botschaft - dass jeder, wirklich jeder, der bei klarem Verstand ist, regelmäßig Kraftübungen machen sollte, ansonsten er in Schmerz und Elend versinke - propagiert der 63-jährige Schweizer so erfolgreich wie kein anderer Gesundheitsunternehmer.

Und so strömen die schmerzgeplagten Kunden zu ihm. "Wir sind in einer starken Expansionsphase", sagt Kieser in seinem Büro in Zürich. Rund 130 Betriebe tragen seinen Namen, jeden Monat kommen zwei bis drei hinzu. In Deutschland sind es mehr als hundert. In Österreich sind es vier - in Salzburg, Graz und zweimal in Wien. Bis 2005 sollen sechs weitere Zentren eröffnet werden, sagt Kiesers Österreich-Chef Ralf Kälin.

Schlicht nüchtern

Alle sehen sie gleich nüchtern aus: Ein Raum voll grauer Maschinen, keine Musik, keine Videos, keine Sauna, keine Bar, keine Farben, keine Aerobic-Kurse. Jeder trainiert für sich, Kommunikation ist nicht vorgesehen - wo bleibt da der Spaß, den herkömmliche Fitnesscenter meist sogar im Namen tragen?

Doch gerade von diesen Fun-Oasen will sich Kieser deutlich unterscheiden. Seine Philosophie ist eine andere. Die Gesundheit, so die Botschaft, ist eine ernsthafte Sache. "Schnickschnack", wie er es nennt, würde ablenken vom Zweck der Übungen: der Pflege des Bewegungsapparats, die genauso unabdingbar und so wenig vergnüglich wie Zähneputzen sei.

Die Hauptursache für die weit verbreiteten Kreuzschmerzen ortet Kieser in der Schwäche der Muskulatur. Nicht Bewegungsmangel oder die falsche Haltung beim Tragen sind also schuld, wenn es zwickt und zieht, sondern das schlaffe Gerüst. Folglich verschreibt er Krafttraining, denn "ein starker Rücken kennt keine Schmerzen". Mit Bodybuilding oder Sport habe das nichts zu tun, eher mit Therapie. Ein- bis zweimal pro Woche an die Maschinen, jeweils ein Set, maximal 90 Sekunden bis zur Erschöpfung, das reicht.

Aufwärmen und Stretchin? Unnötig!

Aufwärmen am Rudergerät oder auf dem Fahrrad, Stretching? Alles unnötig, sagt Kieser. Ein Durchgang lässt sich inklusive Umziehen und Duschen in 40 Minuten erledigen. In der boomenden Fitnessbranche ist der Zürcher ein Außenseiter, der als Autodidakt nach oben kam.

Beim Boxen stieß der gelernte Schreiner auf das Krafttraining als Heilungsmethode und eröffnete 1967 sein erstes Fitnessstudio. Die Geschäftsidee mit dem puritanischen Training kam ihm erst später, als er sich tiefer mit den medizinischen Grundlagen beschäftigt hatte.

Sein nächstes Ziel ist Großbritannien, das Tor zur englischsprachigen Welt, die er anschließend erobern möchte. Das allerdings wird er wohl seiner 20 Jahre jüngeren Frau, einer Ärztin, überlassen, die seine Nachfolge antreten soll. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2004)