Wien/Brüssel - Wenn das EU-Abgeordnetenstatut so in Kraft tritt wie derzeit vorgeschlagen, würden EU-Abgeordnete zwölf Mal pro Jahr netto 5.638,07 Euro verdienen. Von ihrem monatlichen Bruttogehalt von 9.053,31 Euro würden ihnen 17 Prozent Sozialbeiträge (1.539,06 Euro) und anschließend 25 Prozent Steuern (1876,23 Euro) abgezogen, rechnete die Finanzdirektion des EU-Parlaments auf Anfrage des deutschen EU-Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne penibel vor.

Bisher richtete sich Verdienst nach Einkommen der Parlamentarier in der Heimat

Bisher verdienen die EU-Abgeordneten das selbe Gehalt wie die Mitglieder ihres heimatlichen Parlaments. Die SPÖ-Europaabgeordnete Maria Berger gab ihr monatliches Nettogehalt (ohne Berücksichtigung des 13. und 14. Gehalts) mit 3.200 Euro an. Brutto erhalten die Österreicher 14 mal 7.500 Euro.

Zulagen

Unabhängig davon beziehen die EU-Abgeordneten Zulagen zur Abdeckung ihre Büro- und Mitarbeiterkosten, für Flüge und für Unterkunft und Verpflegung. Diese werden teilweise pauschal und teilweise nach Vorlage von Belegen ausgezahlt. In Österreich werden solche Ausgaben zum Großteil direkt vom Nationalrat beglichen, sodass es zu keinen Zahlungen an die Abgeordneten kommt, sagt Berger. Außerdem sieht das EU-Statut ab 63 Jahren einen Pensionsanspruch von 3,5 Prozent des Gehalts pro geleistetem Jahr als Abgeordneter vor. Beim Ausscheiden aus dem hohen Haus werden mindestens sechs und höchstens 24 Monate Gehalt als Abfindung ausgezahlt.

Ziel neuen Status ist gleiches Gehalt für gleiche Arbeit

Das neue Abgeordnetenstatut soll sicherstellen, dass in Zukunft alle EU-Abgeordneten für die gleiche Arbeit auch das gleiche Gehalt beziehen. Derzeit erhalten Spaniens Abgeordnete nur 2.618 Euro monatlich, die Italiener hingegen 10.974 Euro. Die neuen Abgeordneten aus Osteuropa müssten nach dem alten Schema teilweise mit weniger als 1.000 Euro auskommen. Steigt man aber auf das einheitliche EU-Gehalt um, dann würden wieder Abgeordnete ein Vielfaches ihrer Kollegen daheim verdienen, was ebenfalls als ungerecht empfunden wird.

"Jetzt oder nie"

Die große Mehrheit der EU-Länder will jetzt das Statut beschließen. Das zeigte sich nach Angaben von EU-Diplomaten in der heutigen Diskussion der EU-Botschafter in Brüssel über das Thema. "Jetzt oder nie" hätten die Vertreter mehrerer EU-Staaten gesagt. Deutschland sei kategorisch dagegen gewesen, Österreich habe eine Entscheidung bis zum Vorliegen aktuellerer Zahlen abgelehnt, da sich die geplanten Gehälter mit 1. Jänner erhöht hätten.

Mehrheitsentscheidung oder Einstimmigkeit

Der große und weitgehend ungeklärte Streitpunkt ist die Frage, ob die Außenminister bei ihrem nächsten Treffen in zehn Tagen mit qualifizierter Mehrheit entscheiden können oder nur einstimmig. Das vom EU-Parlament vorgelegte Statut braucht an sich nur die Zustimmung einer Mehrheit der Mitgliedsländer. Es berührt allerdings auch Steuerfragen, da im Paket den Nationalstaaten erlaubt würde, zusätzlich zur 25-prozentigen EU-Einkommenssteuer eine nationale Abgabe einzuheben.

Am 26. Jänner auf der Tagesordnung

Der irische EU-Vorsitz habe angekündigt, das Paket am 26. Jänner auf die Tagesordnung der EU-Außenminister zu setzen, so die Diplomaten übereinstimmend. Nach der heutigen Diskussion zeichne sich eine Mehrheit für die Annahme ab. Ein rechtliches Nachspiel sei aber gut möglich: Einerseits könnte der Abstimmungsmodus beim Europäischen Gerichtshof angefochten werden. Andererseits könnten aber auch später noch EU-Abgeordnete gegen die nationale Zusatzsteuer klagen, da nach der Interpretation vieler Juristen ein EU-Einkommen nicht in den Mitgliedsländern besteuert werden kann.

Gusenbauer: Gehaltserhöhung "unverfroren"

Scharfe Kritik am vom EU-Parlament beschlossenen Abgeordnetenstatut hat SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer geübt. Als "unverfroren" bezeichnete Gusenbauer gegenüber der "Presse" die Tatsache, dass die österreichischen EU-Parlamentarier "von einem Tag auf den anderen" eine Gehaltserhöhung um 1.200 Euro bekommen sollen. Zunächst habe es nämlich geheißen, sie bekämen weiterhin ihr bisheriges Gehalt. Gusenbauer sagte, er befürchte nun ein noch geringeres Interesse der Bevölkerung an der Europawahl im Juni.

Kritik Hans Peter Martins

Europaabgeordneter Hans Peter Martin kritisiert österreichische Kollegen, die bei der Abstimmung über die umstrittene Neuregelung der EU-Parlamentarierdiäten im Dezember nicht mit Nein gestimmt haben. In einem Interview mit der Infoillustrierten "News" (Donnerstagsausgabe) nennt Martin die ÖVP-Europaabgeordnete Ursula Stenzel, seinen SPÖ-Fraktionskollegen Herbert Bösch sowie die Grün-Abgeordneten Johannes Voggenhuber und Mercedes Echerer. Obwohl sie in der Anwesenheitsliste eingetragen gewesen seien, hätten sie in dieser Frage "nicht abgestimmt", so Martin.

"Absolute Verrücktheit

Der bei der Europawahl im Juni 1999 als SPÖ-Kandidat gewählte parteifreie Abgeordnete bezeichnete die Spesenpauschalen, Kostenvergütungen, Pensionszuschüsse und anderen Privilegien der EU-Abgeordneten als "absolute Verrücktheit". Bei Ausschöpfung sämtlicher Spesenregelungen und Bonifikationen könnten sie eine "Bruttomonatsgage von unglaublichen 18.250 Euro brutto, 12 Mal jährlich" erreichen, rechnet Martin vor. Zudem verweist er darauf, dass die Parlamentarier oft nicht einmal Taxirechnungen bezahlen müssen, da sowohl in Brüssel als auch in Straßburg ein "Fuhrpark mit BMW- und Mercedes-Limousinen samt Chauffeuren für die Mandatare" existiere.

Zum derzeitigen Grundgehalt von 7.500 Euro brutto (14 Mal jährlich) käme nämlich noch eine "allgemeine Kostenvergütung" von 43.440 Euro jährlich, Reisespesenüberschüsse von rund 5.000 Euro jährlich, die Verrechenbarkeit von Spesen im Sinne der Abgeordnetenregelung für das österreichische Parlament von maximal 7.000 Euro pro Jahr, Tagesdiäten von durchschnittlich 25.700 Euro pro Jahr, bis zu 14.500 Euro Einkommenssteuerrückvergütung durch die Absetzbarkeit von Werbungskosten, eine "Sonderpauschale" von 3.500 Euro jährlich für "Einladungen außerhalb der EU" und Zuschüsse zur freiwilligen Pensionszusatzversicherung von bis zu 14.825 Euro jährlich.

Berger relativiert: EU-Abgeordneteneinkommen mit Nationalratsdiäten sind vergleichbar

Österreichische EU-Abgeordnete haben nur ihr monatliches (14 mal) Gehalt von 7537.- Euro brutto zur freien Verfügung. Das ist der gleiche Betrag wie heimische Nationalratsabgeordnete. Weitere Zuwendungen seien für bestimmte Kosten wie Reisen, Mitarbeiter und Büros gedacht, die im österreichischen Nationalrat meist direkt beglichen werden, sagte die SPÖ-Europaabgeordnete Maria Berger am Mittwoch. Pauschale Hochrechnungen des EU-Abgeordneten Hans-Peter Martin würden ein falsches Bild zeichnen. Von ihrem Bruttogehalt blieben ihr 3.200 Euro monatlich netto, so Berger.

Graubereich Wegkosten

Ein Graufeld sei eindeutig die Regelung, wonach für die Anreise ins EU-Parlament pauschal der Betrag für ein umbuchbares Flugticket vergütet werde, egal wie die Anreise erfolge. Daraus ergebe sich eine Überzahlung. Martin schätzt diese auf durchschnittlich 5.000 Euro pro Jahr und Abgeordnetem. Die österreichischen EU-Abgeordneten würden dieses Geld aber unter anderem dazu nutzen, ihre Reisen in Österreich zu zahlen, sagt Berger. Die von Martin jüngst genannte innerösterreichische Reisepauschale sei den meisten EU-Abgeordneten überhaupt nicht bekannt gewesen und von keinem in Anspruch genommen worden.

Österreichische Abgeordnete dürfen dazu verdienen

Das Grundgehalt der EU-Abgeordneten ist das selbe wie das heimischer Nationalratsmitglieder, erinnert Berger. Im Österreichischen Parlament würden darüber hinaus Mitarbeiter und Büroaufwand vom hohen Haus direkt gezahlt, sodass dafür kein Geld an die Abgeordneten fließe. Auch können in Österreich Reisen und Hotels in einem gewissen Rahmen verrechnet werden. Der größte Unterschied aber, so Berger: Die österreichischen Abgeordneten dürfen und können nebenbei noch einen Beruf ausüben und dazu verdienen. Sie können sogar bis zu 50 Prozent im Bundesdienst tätig sein, während EU-Abgeordneten jede Nebentätigkeit untersagt sei. (APA)