Hans Gratzers Rücktritt vom Direktionssessel des Josefstadt-Theaters rief gemischte Reaktionen hervor: erstaunte, wissende, hämische - und ehrlich betroffene. Als ehemaliger Nachfolgekandidat von Helmuth Lohner kann Hermann Beil , Dramaturg am Berliner Ensemble, eine gewisse Genugtuung nicht verhehlen: "Das alles überrascht mich nicht. Ich habe ja im Herbst 2001 erlebt, wie mit der Josefstadt umgegangen wird", so Beil in einem Statement. Er "hoffe, es ist nun ein Schlusspunkt erreicht und die politisch Verantwortlichen handeln endlich verantwortlich für dieses Theater", so Beil. Helmuth Lohner wünsche er "natürlich alles Theaterglück". Satirischer gestimmt Claus Peymanns wohlgemute Anmerkungen: "Der Kulturstadtrat der Stadt Wien sollte jetzt konsequenterweise im Josefstädter Theater - frei nach Thomas Bernhard - endgültig das einzige theatralische Seniorenheim der Stadt Wien installieren." Peymann weiter: "Wie wär's denn mit Franz Morak als Intendant? Das kulturelle Österreich könnte endlich wieder aufatmen." Peymann träumt von einer Art Mars-Theater: "Muliar könnte endlich in Moraks Regie Lear, Galilei und den Zigeunerbaron an einem Abend spielen. Glückliches Österreich." Und er bringt genüsslich Andrea Eckert ins Nachfolgespiel.

Der von schwerer Krankheit genesene Schauspieler und Regisseur Karlheinz Hackl, der sich als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Josefstadt-Leitung letztendlich Hans Gratzer geschlagen geben musste, nimmt "zur Kenntnis, dass Lohner wieder Direktor wird". Einschätzung der jetzigen Situation in der Josefstadt wollte Hackl keine abgeben: "Das betrifft mich nur mehr marginal. Man muss abwarten."

Lohner werde "schauen, dass Geld ins Haus kommt", so Hackl: "Finanziell ist die Josefstadt ziemlich im Argen, die Probleme sind finanzielle, weniger künstlerische, es bleiben die Leute weg. Lohner wird das sicher besser machen."

Kein Ferngutachten

Auch Josefstadt-Schauspieler und Exdirektor Otto Schenk will über die Entwicklung der Ereignisse am Haus rückblickend "kein Gutachten abgeben. Das ist nicht meine Art. Es wäre falsch, jemanden zu kritisieren, der sowieso weggeht; der einsehen muss, dass etwas nicht so gelaufen ist, wie es sein Traum war. Träume gehen halt manchmal nicht in Erfüllung am Theater." Der designierte Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg

kann ein gewisses Unbehagen schlecht verhehlen: "Ich bin eigentlich entsetzt - dabei wüsste ich gar nicht worüber!" Eine Lehre aus den Josefstädter Vorgängen will er, wenn überhaupt, nur auf folgende Weise ziehen: "Das Geheimnis in der Branche heißt doch: Man kann als Direktor alles machen - man muss nur erfolgreich sein." Er versichere Gratzer jedenfalls seiner Solidarität, "unzynisch gesprochen". (poh, APA/DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2004)