Wien - Im Skandal um den italienischen Nahrungsmittelkonzern Parmalat ermitteln in Österreich nun Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA). Die Vorerhebungen seien auf "eine Anregung" hin gestartet worden, bestätigte am Mittwoch der Leiter der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft Wien, Erich Müller.

Woher sie kam, wollte Müller nicht sagen. Aus anderen Quellen hieß es heute, es sei eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingelangt, der Verdacht laute auf "Betrug". Laut Müller ist auch das Bundeskriminalamt in Sachen Parmalat bereits eingeschaltet.

Die Bücher von Parmalat Austria - seit Sommer 2002 mit 25 Prozent und einer Aktie am niederösterreichischen Milchkonzern NÖM beteiligt - "müssen wir erst beschaffen, so Müller.

Geschäftsführer nicht erreichbar

Der eingetragene Österreich-Geschäftsführer Alexander Walther war nicht erreichbar. Laut Medienberichten hat Parmalat anrüchige Beteiligungen nach Wien verlagert und die in der Wipplingerstraße ansässige Parmalat-Tochter gleichsam als Zwischenholding für ihr weltweites Firmennetz benützt.

Parmalat Austria ist beispielsweise zu 100 Prozent an zwei südafrikanischen Firmen beteiligt. Als die Wirtschaftsprüfer die Werthaltigkeit der Parmalat Food Industries South Africa in Zweifel zogen, verkauften die Parmalat-Chefs die südafrikanische Gesellschaft an die Wiener Tochter. In den Bilanzen von Parmalat Austria ist die südafrikanische Gesellschaft etwa mit 180 Mio. Euro bewertet.

Firma auf den Antillen

Den Berichten zufolge ist Parmalat Österreich auch Alleineigentümerin der Curcastle Corporation mit Sitz auf den Niederländischen Antillen. Über sie ist Parmalat an diversen internationalen Unternehmen beteiligt, wobei sich der Bogen von Mauritius über Mittelamerika, Malta bis hin zu den Cayman Islands und Russland spannt.

Aus den Bilanzen von Parmalat Austria ist wenig bis gar nichts abzulesen. Das Unternehmen unterliegt nur eingeschränkten Veröffentlichungspflichten, der Jahresabschluss muss auch nicht testiert werden. "Wir haben schon oft festgestellt, dass wir mit den Veröffentlichungsvorschriften nicht so wahnsinnig glücklich sind", sagte der Leiter der Abteilung Insolvenzen im Kreditschutzverband von 1870 (KSV), Hans-Georg Kantner.

Pessina in Parma vernommen

Claudio Pessina, Co-Geschäftsführer der österreichischen Parmalat-Tochter Parmalat Austria, ist am Mittwoch von den Mailänder Staatsanwälten im Justizpalast von Parma vernommen worden. Pessina war am 31. Dezember 2003 mit anderen Managern des insolventen italienischen Nahrungsmittelkonzerns verhaftet worden.

Nach Angaben italienischer Medien wollen die Ermittler eventuellen Verbindungen zwischen Parmalat Austria und jener Bonlat Financing Corporation auf Grand Cayman nachgehen, deren Bankguthaben von nahezu vier Mrd. Euro bei der Bank of America sich als Fälschung herausgestellt hat.

Parmalat Austria hält mit 25 Prozent plus einer Aktie eine Sperrminorität am niederösterreichischen Molkereikonzern NÖM. Die NÖM wartet ebenso wie zahlreiche andere Molkereien in Österreich auf Geld aus Italien.

Tonna kooperiert

Der Ex-Finanzchef der Gruppe, Fausto Tonna, wurde unterdessen am Mittwoch erneut fünf Stunden lang vernommen. Die Staatsanwälte lobten die Zusammenarbeit des skandalumwitterten Managers mit der Justiz. "Tonnas Informationen über die Bilanzbücher und die Gesellschaften der Gruppe sind für das Team von (Parmalats Insolvenzkommissar) Enrico Bondi sehr wichtig", betonte die Mailänder Staatsanwältin Antonella Ioffredi, nach Angaben italienischer Medien.

Tonna war zum fünften Mal seit seiner Verhaftung vor zwei Wochen verhört worden. Er sei sehr müde und mitgenommen, berichtete sein Rechtsanwalt, Oreste Dominioni.

Die Justizbehörden beschlagnahmten inzwischen Dokumente im Mailänder Sitz der Citigroup. Es handelt sich angeblich um Dokumente über Parmalat-Bonds, hieß es aus Justizkreisen.

Der Untersuchungsrichter von Parma, Pietro Rogato, lehnte unterdessen einen Antrag auf Hausarrest ab, den der Chef von Parmalat Venezuela, Giovanni Bonici, eingereicht hatte. Die Staatsanwälte hatten sich gegen den Antrag auf Enthaftung gestemmt, den die Rechtsanwälte des 36-jährigen Bonici eingereicht hatte. Bonici war am Freitag verhaftet worden. (APA)