Brüssel - Klagen allein genügt nicht: Die Budgetkontrolle in der Eurozone will die EU-Kommission nach ihrem Beschluss, den EU-Ministerrat wegen der Haushaltsdefizite in Frankreich und Deutschland vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen, mit einer dreiteiligen Strategie weiterbetreiben. Dazu gehören auch Änderungsvorschläge für den Stabilitätspakt. Unterdessen ging am Mittwoch die EU-weite Debatte über den anstehenden Rechtsstreit weiter.

Zum einen will die Kommission bei der Überwachung des Stabilitätspakts trotz ihrer Klage "business as usual" betreiben. Schon zu Monatsende wird die Behörde von Währungskommissar Pedro Solbes routinemäßig ihren Kommentar zu Deutschlands und Frankreichs aktualisierten Finanz- und Wirtschaftsplänen, den so genannten Stabilitätsprogrammen, abgeben.

Revision der Auslegungsregeln

Zum anderen kündigt Solbes für Februar eine Revision der Auslegungsregeln für den Stabilitätspakt an. Auch Änderungen an den zugrunde liegenden EU-Verordnungen schließt er nicht aus. Demnach will die Kommission in wirtschaftlich guten Zeiten mehr Druck auf die Staaten machen, ihre Budgets zu sanieren, um in der Krise mehr Spielraum für Defizite unterhalb der Dreiprozentgrenze zu haben. Dabei soll künftig mehr auf die individuelle Lage eines Landes - zum Beispiel seinen Schuldenstand - Rücksicht genommen werden.

Die EuGH-Klage gegen den EU-Ministerrat, deren genaue juristische Formulierung noch einige Wochen dauern kann, wäre demnach das dritte Element der Kommissionsstrategie. Der EuGH reagierte am Mittwoch auf die Klagspläne mit einer Aussendung, in der die Voraussetzungen für das von Solbes angestrebte beschleunigte Verfahren erläutert werden. Denn so sehr eine Klage "Kommission gegen Rat" seit Jahrzehnten zur gerichtlichen Routine gehört, so neu ist das erst 2000 eingeführte Instrument eines Schnellverfahrens, das drei bis sechs Monate dauern kann und seither erst zweimal angewendet wurde.

Die politischen Reaktionen auf die Klage waren auch am Mittwoch gemischt. Während Spaniens Finanzminister Rodrigo Rato den Schritt ausdrücklich begrüßte, der die Gleichbehandlung aller EU-Staaten garantiere, äußerten sich sein irischer Kollege, Charlie McCreevy, der derzeit im EU-Finanzministerrat den Vorsitz führt, und auch Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker kritisch.

Eichel in der Kritik

Genau wie ihr Chef, Finanzminister Hans Eichel, bedauerte auch Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) die Klage. Auf direkte Angriffe auf die EU-Kommission verzichteten deutsche Regierungsvertreter aber. Die Opposition forderte dagegen erneut Eichels Rücktritt. Angesichts der angespannten Budgetlage könnte Deutschland nicht einmal EU-Beitrittskandidat sein, so CDU-Budgetexperte Dieter Austermann. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hofft auf einen Erfolg der Klage.

Eichel selbst präsentierte am Mittwoch einen positiven Haushaltsabschluss für 2003: Die Neuverschuldung sei mit 38,6 Mrd. Euro um knapp fünf Mrd. Euro geringer ausgefallen als zuletzt eingeplant - sie liegt aber immer noch über der EU-Dreiprozentmarke. Politisch wichtig für Eichel: Der Defizitrekord seines CDU-Vorgängers Theo Waigel von 1996 mit 40 Mrd. Euro bleibt damit unübertroffen. (DER STANDARD Printausgabe, 15.01.2004, Jörg Wojahn)