Bis zum Ende des Jahrzehnts solle ein Amerikaner auf dem Mond landen und sicher zurück zur Erde kehren, rief John F. Kennedy im Mai 1961 dem US-Kongress zu - und die Vision ging mit der ersten Mondlandung acht Jahre später tatsächlich in Erfüllung.

Seither hat die bemannte Raumfahrt vor allem Niederlagen erlebt. Das Apollo-Programm wurde zugunsten des Spaceshuttles aufgegeben, das sich allerdings bald als teuer, ineffizient und höchst gefährlich erwies. Von fünf gebauten Shuttles sind zwei mit tödlichen Folgen explodiert, und seit der "Columbia"-Katastrophe vor einem Jahr liegt die ganze Flotte im Trockendock. Auch die mehr als 30 Milliarden Dollar teure internationale Weltraumstation (ISS) - laut, leck und unfertig - entpuppt sich als weißer Elefant, der weder wissenschaftlich noch politisch viel bringt.

Ganz anders die unbemannte Raumfahrt, die für einen Bruchteil der Kosten völlig neue Einblicke in Ursprung und Zustand des Universums ermöglicht. Auch wenn ein guter Teil der Marsmissionen der letzten 30 Jahre gescheitert ist - zuletzt offenbar auch der stumme "Beagle II" der Europäer -, so haben die anderen eine Fülle von Daten und faszinierenden Bildern zur Erde zurückgefunkt. Die Aufnahmen der US-Sonde "Spirit" begeistern derzeit die Amerikaner genauso wie die der Festnahme Saddam Husseins.

Aus dieser Perspektive gesehen bietet das neue Programm zur Raumfahrt von US-Präsident George W. Bush einige vernünftige Ansätze. Es ist sicherlich richtig, die maroden Spaceshuttles, die auf einer 30 Jahre alten Technologie beruhen, endlich aufzugeben. Auch dürfte eine ständige Bodenstation auf dem Mond deutlich mehr Sinn machen als die ISS.

Mondflüge sind technisch und finanziell machbar, und vielleicht sind auf unserem kleinen Nachbarn wirklich Rohstoffe zu holen, die der Menschheit einmal nützlich werden können - etwa Helium, das für eine klimaschonende Energieproduktion durch Kernfusion benötigt wird.

Doch insgesamt überwiegt der Eindruck, dass hier ein falscher Weg eingeschlagen wird - und das aus unehrlichen Gründen. Bush hält an der bemannten Raumfahrt fest, die zwar gut für Schlagzeilen und patriotische Gefühle ist, vor allem aber Ressourcen verschwendet. In den Sechzigerjahren mag das Wettrennen zum Mond noch eine wichtige psychologische Front des Kalten Krieges gewesen sein, heute ist der Stolz, Amerikaner (oder Russen, Franzosen und Chinesen) ins All zu schießen, eine höchst kindische Zielsetzung. Bemannte Raumfahrt ist heute deutlich teurer als vor dreißig Jahren, weil die Ansprüche an die Sicherheit dramatisch gestiegen sind. Fast alles, was ein Mensch auf dem Mars tun kann, lässt sich von Robotern erledigen. Der einzige Zweck eines Flugs zum Mars ist der Triumph, ihn erreicht zu haben.

Keine Frage: Selbst in Zeiten von 500-Milliarden-Dollar-Defiziten können sich die USA solche Abenteuer leisten, wenn sie es wollen. Doch das Geld, das dort hineinfließt, fehlt dann erfahrungsgemäß für weitaus wertvollere unbemannte Missionen. Ohne Spaceshuttle und ISS wüssten wir bereits viel mehr über das Weltall als heute.

Der Bush-Regierung geht es allerdings weniger um obskure wissenschaftliche Erkenntnisse. Neue Mondmissionen hätten wohl auch militärische Hintergründe - der Raketenschild im Weltall ist bekanntlich eines der Lieblingsprojekte der Neokonservativen. Und die vollmundige Ankündigung von zukünftigen Mond-und Marsflügen passt gut in die Wahlkampfstrategie des Präsidenten. Eine nationale Mission an einen fernen Ort, wo viel Ruhm und keine Guerilla lauert, soll Amerikaner die anhaltende Misere im Irak vergessen und den Präsidenten als friedlichen Visionär erscheinen lassen.

Ob der Kongress das Geld überhaupt lockermacht, ob und wann ein Amerikaner auf dem Mond landet, ist dabei nebensächlich. In einer Politik des wahltaktischen Scheins ist eine Rede im Stile Kennedys Erfolg genug. (Eric Frey/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 1. 2004)