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Der Architekt Michael Arad präsentiert seine Pläne für die Denkmalanlage, "Reflecting Absence".

Foto: APA/EPA/Justin Lane

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Relikte des Terroranschlags sollen nun in unterirdischen Hallen präsentiert werden. Die strenge Symbolik des Memorials droht verloren zu gehen.


Wer je New York besucht hat, dem werden sich nicht nur die Hochhäuser und das Gedränge in den Straßenschluchten ins Gedächtnis eingebrannt haben.

Die Stadt, die niemals schläft, ist von einem permanenten Lärmpegel erfüllt. Ständig heult irgendwo eine Polizei- oder Feuerwehrsirene. Da war es fast nahe liegend, dass der junge Architekt Michael Arad bei seinem Mahnmalentwurf für Ground Zero auf den mächtigsten natürlichen Filter gegen den Großstadtlärm zurückgriff. Er verwandelt die "Footprints" der beiden zerstörten Türme in riesige versenkte Becken, zu denen das Wasser vom Rand der einstigen Krater herabstürzt wie an den Niagarafällen. Das rauschende Wasser schottet den Ort akustisch gegen die Außenwelt ab.

Nachdem bereits in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass sich Arad mit seinem minimalistischen Entwurf gegen den Multimedia-Schnickschnack der anderen Bewerber durchsetzen konnte, ist nun der vorerst letzte Stand der Pläne veröffentlicht worden.

Sanfter Druck aus Reihen der Wettbewerbsjury sorgte dafür, dass Michael Arad mit einem mahnmalerfahrenen Landschaftsarchitekten zusammengespannt wurde, der sich für eine Bepflanzung des riesigen Areals stark machte. Auch Daniel Liebeskind, der mittlerweile in die Rolle des Beraters abgeschobene Masterplaner, hatte einen Park vorgeschlagen und auf eine Überarbeitung des ursprünglich strengen, in nüchternem Schwarz-Weiß gezeichneten Plans gedrängt. Und nicht zuletzt die Opferverbände fanden Gehör. Arad erweiterte seine Mahnmalanlage um weitere unterirdische Räume, wo die Relikte des Terroranschlags nun ausgestellt werden sollen.

Wie so oft führte der Wunsch, es möglichst allen irgendwie Beteiligten recht machen zu wollen, zu geradezu absurden Ergebnissen. Noch am verständlichsten ist die Bepflanzung der ehemaligen "World Trade Center Plaza". Dort gab es auch vor dem Terrorangriff einen öffentlichen Ort, einen der seltenen Freiräume auf der dicht gepackten Spitze Manhattans. Auch künftig werden hier Pausensandwiches verzehrt und nicht nur Trauerbesuche absolviert werden. Der Weg hinab an den Rändern der Wasserfälle entlang wird nun nicht mehr durch wuchtige Betonröhren führen, auch da ist die Veränderung eine Verbesserung.

Unterirdische Halle

Der eigentliche Ort des Gedenkens aber wurde gigantisch aufgeblasen. Die bisherigen Pläne zeigten eigentlich eine schlichte, zur Seite der Wasserbecken offene Galerie. Hinter einem Schleier aus herabrauschendem Wasser konnten die Besucher um die Leerstelle der beiden Hochhäuser herumgehen, begleitet von einer Brüstung, die die Namen der Opfer trägt.

Diese fast klösterliche Anlage wird nun um eine ganze Etage erweitert, die unter der Wasserfläche der Bassins liegt. Den Boden dieser mit 10.000 Quadratmetern Grundfläche wahrhaft gigantischen Halle bildet die unerschütterliche Granitschicht, die den Hochhäusern Manhattans ihr Fundament gibt und nach dem 11.9.2001 zum metaphorischen Rückgrad der Nation erklärt wurde.

Die Ingenieurleistung, unter dem Becken noch eine weitere Ebene einzuziehen, ist nicht nur ein grotesker technischer Kraftakt, sondern stellt die Symbolik des ganzen Entwurfs auf den Kopf. Bisher verschwand das von den Kraterwänden herabstürzende Wasser durch einen quadratischen Abfluss inmitten des Bassins irgendwo in der Tiefe. Sein Lauf bleibt dem Betrachter verborgen – ein leiser Hinweis auf die Ohnmacht, der die Opfer ausgeliefert waren.

Nun muss das Wasser über der Halle abgefangen werden, damit die Besucher der Gedenkstätte trockene Füße behalten. Sie schauen durch den Ablauf des Wasserbassins in den Himmel und werden sich wundern, wie man die tosende Gewalt des Wasserfalls zu ihren Köpfen einfach abschneiden kann.

Das absurde Bild wird wohl nur mithilfe von Spezialisten aus dem Entertainmentpark-Bereich realisiert werden können. Da mögen Türme einstürzen und Imperien ins Wanken geraten, aber trotzdem behalten wir die Kontrolle, soll das wohl heißen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2004)