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dpa/Martin Gerten
Straßburg/Wien/Berlin - Das geplante EU-Mautgesetz (Wegekostenrichtlinie) könnte nicht nur für Lastkraftwagen, sondern auch für Privat-Pkw gelten - zumindest wenn es nach dem zuständigen Berichterstatters im Europaparlament geht.

Der am Mittwoch an die Öffentlichkeit geratene Richtlinienentwurf des konservativen italienischen Europaabgeordneten Luigi Cocilovo für den federführenden Verkehrsausschuss im EU-Parlament sieht kilometerabhängige Autobahnmauten auch für Pkw vor.

Privatautos würden demnach genauso "zur Verkehrsüberlastung und Umweltverschmutzung sowie - in geringerem Ausmaß - zur Abnützung der Verkehrswege beitragen". Es erscheine daher angebracht, "dass sich der Geltungsbereich der Richtlinie auf alle Kraftfahrzeuge erstrecken und nicht nur auf die für den Gütertransport genutzten Fahrzeuge beschränken soll", heißt es im Entwurf.

Österreichs Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (F) ist allerdings gegen eine EU-weite Mautregelung für den privaten Pkw-Verkehr. "Eine kilometerabhängige Pkw-Maut ist zur Zeit kein Thema", sagte Gorbach am Mittwoch. Die neue EU-Wegekostenrichtlinie, meint Gorbach, sollte zunächst nur die zukünftige Maut für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen regeln.

"Wischi-Waschi-Richtlinie"

Werde nun auch über eine Pkw-Maut diskutiert, würde das eine vernünftige Lösung unmöglich machen. "Entweder kommt dann eine Wischi-Waschi-Richtlinie heraus oder es gibt am Ende gar keine Richtlinie", fürchtet der Verkehrsminister.

"Der beste Weg, das EU-Mautgesetz zu verhindern", kommentierten auch die österreichischen EU-Abgeordneten im EP-Ausschuss, Reinhard Rack (V) und Hannes Swoboda (S). Sie sehen darin den Versuch, die neue Richtlinie von Anfang an zu Fall zu bringen, glauben aber dass der Pkw-Maut-Passus im Ausschuss einfach wieder aus dem Entwurf gestrichen werden wird.

Gorbach kann dem Entwurf des Berichterstatters aber auch positives abgewinnen. Nach dem Vorschlag sollen die Baukosten für das hochrangige Straßennetz, einschließlich der Kosten auf Zinsen für investiertes Kapital, rückwirkend für 30 Jahre angerechnet werden, und nicht wie von der Brüsseler Behörde vorgeschlagen nur für 15 Jahre.

"Mit 30 Jahren könnte Österreich leben", sagte Gorbach. Würden Baukosten nur für 15 zurückliegende Jahre berücksichtigt, müsste Österreich seine seit Anfang 2004 geltende Lkw-Maut um rund ein Drittel senken.

Keine höheren Zuschläge für "sensiblen Zonen"

Zahlreiche weitere Forderungen Österreichs sind im Entwurf des Parlamentsberichterstatters vorerst noch unberücksichtigt geblieben, beispielsweise höhere Mautzuschläge in "sensiblen Zonen" zur Querfinanzierung von Schienenprojekten.

Gorbach bekräftigte heute erneut seine Forderung nach höheren Mautzuschlägen gegenüber den EU-Papieren. Außerdem sollte der Begriff der sensiblen Zonen nach österreichischer Vorstellung von derzeit Brenner und Pyrenäen auf den gesamten Raum der Alpenkonvention und auf Ballungsgebiete ausgedehnt werden.

Darüber hinaus will Österreich in Zukunft auch auf Ausweichrouten zu den Autobahnen und Schnellstraßen Lkw-Mauten einheben können. Neuralgische Strecken müssten vor Mautflüchtlingen geschützt werden, betonte der Verkehrsminister. Im Europaparlamentsentwurf ist davon aber keine Rede.

Differenzierte Gebühren

Restriktiv ist der Parlamentsentwurf auch, was die Flexibilisierung der Mautgebühren betrifft. Die EU-Kommission sieht vor, dass Mauten "unbeschadet der gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren" nach Fahrzeugtypen, Tageszeiten und "entsprechend der Sensibilität der Region unter ökologischen Gesichtspunkten, der Bevölkerungsdichte und der Unfallgefahr" differenziert werden können.

Letzterer Punkt würde bedeuten, dass Mauten in Ballungsräumen oder sensiblen Zonen - wie dem Brenner - angehoben werden könnten, wenn Ausweichrouten niedriger bemautet würden. Auch der Europaparlamentsvorschlag sieht diese Möglichkeit vor. Im Gegensatz zur EU-Kommission verlangt der Parlamentsberichterstatter aber einen Deckel: Maximal sollten die Mautgebühren 50 Prozent über den Durchschnittssatz angehoben werden dürfen.

Beschluss bis März

Die EU-Mautrichtlinie soll nach dem Willen der EU-Staats- und Regierungschefs bis März beschlossen werden. Damit dies möglich ist, müssten sich die EU-Verkehrsminister im EU-Ministerrat und das Europaparlament bereits in ihren ersten Lesungen auf einen gemeinsamen Text einigen. Gibt es Differenzen, dann werden zweite Lesungen in beiden Institutionen nötig. Ein Beschluss könnte dann sicher nicht mehr vor den EU-Parlamentswahlen im Juni fallen.

Gegen eine Pkw-Maut hat sich am Mittwoch auch der deutsche Verkehrsminister Manfred Stolpe ausgesprochen. "An eine Pkw-Maut ist nicht gedacht", sagte Stolpe in Berlin. Er wolle zunächst die Lkw-Maut einführen, betonte er. Während in Österreich seit Jahresbeginn Lkw-Maut eingehoben wird, ist der Einführungstermin für die Lkw-Maut in Deutschland wegen technischer Probleme nach wie vor offen.

Deutschland: Starttermin bis 31. Jänner

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat nun das Maut-Konsortium Toll Collect rund um DaimlerChrysler und Deutsche Telekom aufgefordert, bis zum 31. Jänner einen neuen Starttermin für die Lkw-Maut in Deutschland zu nennen. "Wenn sie es nicht schaffen, muss man die Zusammenarbeit beenden", sagte Schröder.

Über mögliche Schadenersatzforderung Deutschlands gegen Toll Collect muss nun ein Schiedsgericht entscheiden. Stolpe hat dem Konsortium bisher wegen den dramatischen Verzögerungen bei der Lkw-Mauteinführung in Deutschland rund 1,3 Mrd. Euro für Ausfälle und Vertragsstrafen in Rechnung gestellt. Toll Collect hat bisher lediglich die Vertragsstrafe von 7,5 Mio. Euro für Dezember bezahlt. Sollte das Mautsystem auch 2004 nicht in Betrieb gehen können, wäre dies mit einem Einnahmenausfall von weiteren 2,2 Mrd. Euro verbunden. (APA)