"Amerikanische Banken haben die Größe, das nötige Kleingeld und immer offensichtlicher das Interesse, in Europa und da speziell in Deutschland zuzukaufen", sagte ein Investmentbanker einer großen amerikanischen Bank in London. Das sehen auch deutsche Experten so. "In den USA konsolidiert sich der Markt immer mehr, und die übrig bleibenden großen Institute wollen natürlich verstärkt in Europa expandieren", betonen Analysten auch deutscher Großbanken. Der deutsche Markt mit seinen preiswerten Banken sei dabei besonders interessant.
Interesser für Commerzbank und HVB
Die meisten Experten sehen sehen vor allem die Commerzbank und die bayerische HypoVereinsbank (HVB) - in Österreich Mutter der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA) - im Visier. Commerzbank und HVB seien groß genug, dass sich die Amerikaner für sie aus strategischen Gründen interessierten. Gleichzeitig sei ihr Börsenwert trotz jüngster Zugewinne so niedrig, dass eine Übernahme kein allzu großes finanzielles Risiko darstelle. Übernahmefantasien beflügelten am Donnerstag denn auch die Aktienkurse beider Institute.
Die HypoVereinsbank selbst hatte erst vor zwei Tagen Signale ausgesandt, an einer Bankenkonsolidierungswelle im eigenen Land "aktiv" mitwirken zu wollen, was von Beobachtern als Fusionsangebot an die deutsche Konkurrenz bewertet wurde.
Erste will selbstständig bleiben
In Österreich sind in letzter Zeit wiederholte Spekulationen, bei der Erste Bank könnte ein großer Auslandspartner vor der Tür stehen, gänzlich abgekühlt. Die Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen, die für Bankenkäufe im Ausland bisher knapp 2,5 Mrd. Euro hingeblättert hat, will selber vom Einstieg eines Auslandspartners nichts wissen. Dass die Erste Bank innerhalb der nächsten fünf Jahre einen großen internationalen Partner hereinnimmt, hatte deren Chef Andreas Treichl erst im Herbst wieder ausgeschlossen. Er wisse freilich, "dass wir bei einigen am Radarschirm sind".
Seit Anfang vergangenen Jahres wurden in den USA mehr als 200 Bankenzusammenschlüsse im Wert von 124 Mrd. Dollar bekannt gegeben.
Kurz hinter den beiden Spitzenreitern Citigroup und J.P. Morgan folgt derzeit die Bank of America mit einer Bilanzsumme von 933 Mrd. Dollar. Sie hatte kürzlich die Übernahme der Fleet Boston Financial für 48 Mrd. Dollar angekündigt.
3,2 Billionen für drei Branchenführer
Die drei Branchenführer in den USA bringen es künftig zusammen auf eine Bilanzsumme von 3,2 Billionen Dollar. Das ist mehr als ein Drittel der Bilanzsumme aller US-Kreditinstitute. Es folgen weit abgeschlagen die Wells Fargo, Wachovia, U.S. Bancorp und SunTrust Banks.
Bank of America und J.P. Morgan wollen sich durch die Übernahmen vor allem die riesigen Zweigstellennetze der Fleet Boston beziehungsweise der Bank One sichern. So kommen sie auch an das grundsolide Geschäft der beiden großen Regionalbanken mit den kleinen Privatkunden. Teilzahlungs-, Auto- und Hypothekenkredite sowie das lukrative Geschäft mit den Kreditkarten versprechen stetige und hohe Gewinne. Dagegen hat das früher von den Großbanken forcierte Investmentbankgeschäft im Gefolge der langen Wall-Street-Probleme und Unternehmensskandale stark gelitten.
Andererseits scheint das enorme Gewinnwachstum der Regionalbanken angesichts der befürchteten Anhebung der US-Zinsen durch die Notenbank gefährdet. Auch aus diesem Grund dürften sie nun verstärkt auf Partnersuche gehen.
Das "Wall Street Journal" nennt die Comerica, Key Corp., U.S. Bancorp., SunTrust Banks, National City, Sovereign Bancorp, Union Planters (Memphis) und SouthTrust als potenzielle Fusionskandidaten. Unter den Finanzdienstleistern mit starken Kreditkartenoperationen werden CapitalOne Financial, Providian Financial und MBNA Corp. gehandelt. Angesichts des schwachen Dollar könnten dabei auch ausländische Großbanken mit großen US-Banktöchtern wie etwa die Royal Bank of Scotland in Versuchung geraten. (APA/dpa)