Dass es immer wieder Politiker gibt, die im Haschen nach einer anders nicht zu erlangenden Popularität unter dem Schafott des Boulevards am liebsten ihre eigene Entpolitisierung anbieten würden, gehört zu den Skurrilitäten, oder wenn man will, Verlogenheiten der österreichischen Szene. Im Gegensatz zu dem, was sie anzubieten vorgeben, handelt es sich dabei um keinen guten Dienst an der Demokratie, sondern um die verdrängte Erkenntnis sonstigen Ungenügens, das unter allen Umständen abzustreiten zu den eisernen Regeln einer gusseisernen politischen Moral gehört.
Die Nominierung von Frau Ferrero-Waldner ist auch Ausfluss eines Wiederholungszwanges, dem sich die ÖVP trotz wenig erquicklicher Erfahrungen mit Kandidaten aussetzt, die mehr Prozente ihres Lebens in der Diplomatie als in der Politik verbracht haben. Den Bundespräsidenten Kurt Waldheim ließ sie - eine österreichische Premiere - erst gar kein zweites Mal kandidieren, und dass ihr sein Nachfolger viel Freude bereitet hat, lässt sich aus den allergischen Reaktionen Schüssels nicht ableiten. Es ist ja nicht so, dass die ÖVP über keine politischen Kandidaten verfügte. Aber die wären, wie Erwin Pröll, dem Bundeskanzler zu selbstständig, oder sie gehören, wie etwa ein Heinrich Neisser, nicht eben zu den Schätzern seines schwarz-blauen Kurses.
Da ist doch die Außenministerin aus anderem Wachs geschnitzt. Die repetiert brav, was man ihr aufschreibt, wenn es sein muss, in fünf Sprachen. Ich habe eine Gesinnung, bekennt sie verschämt, wenn sie schon die ÖVP-Mitgliedschaft nicht leugnen kann, aber Parteifunktionen hatte sie - "im Gegensatz zu meinem Mitbewerber" - nie. Das hat sie aber nicht daran gehindert, sich für Wolfgang Schüssels schwarz-blaues Experiment in die Bresche zu werfen, wo immer sich eine auftat. Für Österreich, wie oft behauptet wird, hat sie das nicht getan.
Nun erzählt sie, sie sei ein Mensch, und das mit Herz - anatomische Qualifikationen, die einer Berufung in die Hofburg gewiss nicht im Wege stehen, sofern sich einige ähnlich glaubwürdig politische hinzugesellen, und ihr Herzrasen das Gedächtnis nicht zu sehr behindert. Vor nicht einmal zwei Jahren trat sie für einen Beitritt Österreichs zur Nato ein, im beginnenden Wahlkampf tut sie das nicht mehr, weil Österreich mit seiner Neutralität in der EU bestmögliche Sicherheit finde. Das deutet eher auf Sprunghaftigkeit hin, wie man sie an einem Staatsoberhaupt weniger schätzt, als auf außenpolitischen Weitblick, wie ihn andere schon 2002 hatten.