Arbeitslosigkeit: Wer interessiert sich für die Menschen?
Zu Beginn dieses Jahres waren mehr als 300.000 Menschen arbeitslos - ein Kommentar von Caspar Einem
Redaktion
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Zu Beginn des Jahres 2004 sind in Österreich über 300 000 Menschen arbeitslos, über 30 000 sind in Schulungen des Arbeitsmarktservice, also auch arbeitslos. Und das sind noch keineswegs alle, die Arbeit wollen, mehr noch: dringend brauchen, um davon leben zu können. Hinzu kommen die, die auf die Pension warten und von der Pensionsversicherung auch schon einen Vorschuss auf die Pension bekommen. Die werden nicht als arbeitslos gezählt. Und dann sind da noch die, die schon zu lange arbeitslos sind, um noch die Arbeitslosenunterstützung zu bekommen. Aber viele von ihnen, vor allem viele Frauen, bekommen keine Notstandshilfe, weil ihre Partner zu „viel“ verdienen. Die Freibetragsgrenze – also jener Betrag, den ein Partner, eine Partnerin verdienen darf, ohne dass dieses Einkommen auf die Notstandshilfe angerechnet wird - beträgt 437,-- €. In alter Währung sind das knapp über 6.000,-- öS. Und auch diese Personen werden nicht (mehr) als arbeitslos gezählt. Alles in allem sind es über 400.000 Menschen. Und bezieht man diese Zahl auf die Gesamtzahl der Beschäftigten, so sind es mehr als 10%. Und doch hat man den Eindruck, dass das niemanden interessiert. Die Öffentlichkeit will mit solchen Dingen nicht belastet werden. Und die Regierung sagt mit schöner Regelmäßigkeit, dass jede einzelne arbeitslose Person ein Arbeitsloser zuviel ist. Und dass die Wirtschaft wieder anspringen werde. Man rechne fest damit. Aber sie tut nichts.
Es geht aber auch anders herum: Wenn heute jemand eine Stelle ausschreibt, dann kann damit gerechnet werden, dass sich hundert und mehr BewerberInnen melden. Unter diesen Bedingungen ist es außerordentlich schwer, eine bezahlten Arbeitsplatz zu bekommen. Und setzt man die offenen, beim Arbeitsamt gemeldeten Stellen in Beziehung zu den gemeldeten Arbeitslosen, dann ist das Verhältnis etwa 1:10. Da fällt dann auch die Grundlage für die gern verwendete Behauptung weg, dass ohnehin jeder, der arbeiten will, auch Arbeit bekommen kann. Einer von zehn kann eine finden. Neun bleiben jedenfalls über.
Warum interessiert das niemand? Nur weil die, die Arbeit haben, glauben, ihnen könnte das nicht passieren? Und die, die keine haben, sich dafür schämen? Warum ist das nicht Anlass für die Regierung, Investitionsprogramme zu forcieren und so die benötigte Infrastruktur schneller herzustellen und mehr Menschen Arbeit zu ermöglichen? Warum ist das nicht Anlass für die Regierung, gemeinsam mit den anderen Staaten in der EU ein europäisches Programm für Investitionen in Infrastruktur, Forschung und Bildung auf den Weg zu bringen, das Rahmenbedingungen schafft für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung? Warum denkt niemand an die Einzelschicksale, die sich hinter diesen Zahlen verbergen? Sollte nicht wenigstens die Politik dazu da sein, gemeinsame Probleme zu lösen? Oder ist das kein gemeinsames Problem? Ist das wirklich bloß die Sache derer, die betroffen sind?
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