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Am 8. August 1944 bombardierten die allierten Streitkräfte den Ölhafen Lobau.

Foto: OMV
Wien - Bis zu 300 Bomben im Gebiet des Ölhafens Lobau hält Bruno Domany (MA 22 Umweltschutz) für durchaus plausibel. Von derlei Kriegsrelikten, die bei großen Bauprojekten immer wieder aus der Versenkung auftauchen, ist er nicht überrascht. Schon gar nicht, was die Lobau anlangt: "Das weiß man, dass es die dort gibt". Wann immer dort in der Gegend gegraben wird, seien Bauarbeiter angewiesen, besonders vorsichtig zu sein. Mit weiteren, archäologisch bedeutsamen Funden in der Lobau rechnen Stadtarchäologen aber nicht. Expertin Heidrun Helgert meint, dass bisherige Aufzeichnungen über Funde keinen Rückschluss darauf zuließen.

In der Lobau und in Schwechat, wo heute die OMV ihre Erdölanlagen betreibt, wurden 1939 unterirdische Tanklager zu militärischen Zwecken errichtet. Im Juni 1944 wurde ein Auftrag der Alliierten an die 15. US-Flotte erteilt: "Fortschreitende Zerstörung und Lähmung des deutschen industriellen und wirtschaftlichen Systems". Die Folge waren massive Bombardements von Industrieanlagen oder Brücken. In den Archiven der Alliierten finde man heute "Bombenkataster" zu den Abwürfen, erklärt Rudolf Gollia vom Innenministerium.

Keine Details bekannt

Bei der Asfinag, für Bundesstraßen zuständig, weiß man von Bomben, die entlang der künftigen Strecke zur Umfahrung Wiens lagern könnten, noch keine Details. Die angenommenen 300 Stück hält Pressesprecherin Anita Oberholzer für eine erste Schätzung. Mitunter gefährliche Kriegsfunde überraschen auch bei der Asfinag nicht. "Das kommt in ganz Österreich vor." Da im Fall Lobau noch nicht klar sei, entlang welcher Strecke die Umfahrung einmal verlaufen wird , gebe es noch keinen Auftrag zu näheren Untersuchungen.

Wird beispielsweise die äußere Variante realisiert, muss ein bis zu viereinhalb Kilometer langer Tunnel durch die Lobau gegraben werden. Da könnte sich die eine oder andere Bombe schon bemerkbar machen. Allerdings heißt es im städtischen Planungsbüro, dass der Tunnel tiefer gegraben wird, als die Bomben lagern. Diese würden rund sechs, sieben Meter unter der Erdoberfläche sein. Der Tunnel beginne rund dreizehn Meter unter Tag.

Gefährliche Arbeit

Erst wenn tatsächlich Bomben dem Straßenbau im Weg liegen, tritt der Entminungsdienst des Innenministeriums in Aktion. Erst im Juli 2003 wurden zwei Experten des Entminungsdienstes in Salzburg getötet und zwei weitere schwer verletzt, als sie versucht hatten, einen besonders heimtückischen Zünder zu entschärfen.

Grüne bemängeln, dass eine Entschärfung der Bomben den Bau der Autobahn verteuern würde. "Milliarden" würde das verschlingen, behauptet Umweltsprecher Rüdiger Maresch, man solle keine Straße bauen. (aw, lev, Der Standard, Printausgabe, 20.01.2003)