Teheran - Im Iran haben 54 Abgeordnete mit einem Boykott der Parlamentswahl im kommenden Monat gedroht. Sie würden nicht an der Abstimmung teilnehmen, wenn der Ausschluss zahlreicher reformorientierter Kandidaten nicht aufgehoben würde, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag von Abgeordneten in Teheran. Die 54 Parlamentarier versuchten, weitere Mandatsträger zur Unterschrift des Boykottaufrufs zu bewegen. Sie kündigten zudem an, die Sitzungen des scheidenden Parlaments zwischen der Parlamentswahl am 20. Februar und der Konstituierung des neuen Parlaments im Juni zu boykottieren.

Am Donnerstag wurden weitere reformorientierte Kandidaten für Wahlen zugelassen

Der konservative Wächterrat im Iran hat weitere reformorientierte Kandidaten für die Parlamentswahlen im Februar zugelassen. Damit gab der aus Klerikern bestehenden Rat dem Druck der Regierung von Staatspräsident Mohammed Khatami und von Reformabgeordneten nach. Unterdessen wurden bei einem Überfall radikaler Islamisten auf eine Protestveranstaltung von Reformanhängern im Westen des Landes mehrere Politiker verletzt.

Überfall in Hamadan: Knochenbrüche für Chef der örtlichen Reformpartei

Etwa 200 Anhänger der militanten Hisbollah-Bewegung haben die Protesvteranstaltung am späten Mittwochabend in der Stadt Hamedan gestürmt, meldete die Nachrichtenagentur IRNA am Donnerstag. Der Chef der örtlichen Reformpartei, Hossein Mojahed, wurde mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus eingeliefert, wie die Reformzeitung "Yas-e No" berichtete. Am Donnerstag sollte ein Ultimatum der 18 Regierungsparteien ablaufen, die mit einem Boykott der Parlamentswahl im Februar gedroht hatten.

Zahl der zugelassenen Kandidaten auf 260 gestiegen

Die Zahl der zugelassenen Kandidaten aus dem Reformlager stieg um 60 auf jetzt 260, sagte der Sprecher des Wächterrates, Mohammed Yahromi am Donnerstag. Er kündigte an, dass weitere Zulassungen erfolgen würden. Das Gremium habe mehrere Ausschüsse eingesetzt, welche die Akten der insgesamt 3605 zurückgewiesenen Kandidaten erneut überprüften. Unterdessen setzten mehrere dutzend Reformpolitiker ihren Sitzstreik in Teheran fort. Die Abgeordneten hatten das Sit-in im Parlament am 11. Jänner begonnen. Die Regierung Khatami besteht darauf, dass mindestens 618 der Kandidaten genehmigt werden.

USA: Teheran müsse Wahlprozess nach "internationalem Standard" gewährleisten

Die USA riefen erneut zu "freien und fairen Wahlen" auf. Die Führung in Teheran müsse einen Wahlprozess nach "internationalem Standard" gewährleisten, sagte der Vize-Sprecher des US-Außenministeriums, Adam Ereli, am Mittwoch in Washington. Die iranische Regierung müsse "den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenkommen".

Vorwürfe wegen "Verstöße gegen den Islam" wurden als Gründe für den Ausschluss angeführt

Die vom Wächterrat abhängigen Wahlausschüsse hatten den Ausschluss von mehr als 3600 der insgesamt 8157 Kandidaten von der Parlamentswahl im Februar angekündigt und damit eine Regierungskrise ausgelöst. Als Grund wurden in den meisten Fällen "Verstöße gegen den Islam" genannt. Betroffen waren vor allem Reformpolitiker. Nach heftigen Protesten und einer Anordnung des obersten geistlichen Führers Ayatollah Ali Khamenei soll der Wächterrat bis Ende Jänner dem Innenministerium eine überarbeitete Kandidatenliste vorlegen. Die Parlamentswahl findet am 20. Februar statt. (APA/dpa)