Wieder wurde in Wien ein Mensch bei einem Polizeieinsatz angeschossen. Bei einem Drogendeal mit einem verdeckten Ermittler sollte der Beamte beraubt werden. Legal werden solche Scheingeschäfte erst in drei Jahren.

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Wien - Der Einsatz am Dienstag lief nicht wie geplant. Eigentlich sollten drei mutmaßliche Drogenhändler bei einem Scheingeschäft in Wien erwischt werden. Die Aktion eskalierte allerdings, als der verdeckte Ermittler im Gemeindebezirk Hietzing offenbar ausgeraubt werden sollte. Ein zweiter Beamter griff ein und schoss einem der Männer gezielt ins Bein.

Begonnen hatten die Ermittlungen schon vor einiger Zeit. Die Linzer Polizei war einem Drogenring auf der Spur und setzte dabei in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft auch verdeckte Ermittler ein. Für diese Woche wurde ein Deal vereinbart, die Übergabe sollte in Wien stattfinden.

Eigentlich sollte das Scheingeschäft von mehreren Beamten beobachtet werden. Die Verdächtigen allerdings - drei Nigerianer - "wussten sehr genau, was sie machten", meint Gerald Hesztera vom Bundeskriminalamt. "Sie lotsten den Fahnder im Auto einige Zeit durch Wien, bis sie schließlich in Hietzing landeten", berichtet er. Da eine Verfolgung durch mehrere Autos dort zu auffällig gewesen wäre, fuhr nur mehr ein einzelner Beamter den Männern und seinem Kollegen nach.

Dealer stürzten auf den verdeckten Ermittler

Plötzlich bemerkte er, wie sich die Dealer auf den verdeckten Ermittler stürzten. Nach Heszteras Aussage gab er zwei Warnschüsse ab, mit zwei gezielten Schüssen traf er einen der Flüchtenden ins Bein. Zwei der Männer konnten gestellt werden, der dritte Nigerianer entkam.

Beim Bundeskriminalamt geht man davon aus, dass die Verdächtigen, bei denen ein halbes Kilo Kokain im Wert von 20.000 bis 30.000 Euro sichergestellt wurde, zur mittleren oder oberen Führungsschicht der österreichweit agierenden Bande gehören. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, weitere Verhaftungen könnten folgen.

Polizei im Graubereich

Der Vorfall wirft auch ein Licht auf einen rechtlichen Graubereich, der erst mit der geplanten Reform der Strafprozessordnung (StPO) klar geregelt werden soll: den Einsatz verdeckter Ermittler und deren Abschluss von Scheingeschäften.

Derzeit besagt Paragraf 25 der StPO nämlich, dass es der Exekutive "bei strengster Ahndung untersagt" ist, jemanden "zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer strafbaren Handlung" zu verleiten. In der Praxis des Gerichtsalltags wird meist nicht so streng vorgegangen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sind verdeckte Ermittler im Suchtgiftbereich zulässig.

Kritisch könnte es nur werden, wenn ein Beamter einen Verdächtigen aktiv auffordert, ein Verbrechen zu begehen. Beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und der Menschenrechtskommission gab es in der Vergangenheit dazu unterschiedliche Richtersprüche.

In der neuen StPO, die im Frühjahr vom Nationalrat beschlossen werden soll, wird nun erstmals detailliert festgehalten, dass zur Bekämpfung organisierter Kriminalität diese Art der Polizeiarbeit für sämtliche Kriminalitätsbereiche erlaubt ist. Zusätzlich ist auch eine ausdrückliche Regelung über die Zulässigkeit von Scheingeschäften geplant. Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird jedoch voraussichtlich noch einige Zeit vergehen: Nach dem Parlamentsbeschluss soll es erst am 1. Juli 2007 oder 2008 so weit sein. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 22.1.2004)