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Schauspielerin Isabelle Huppert und Regisseur Michael Haneke vor Beginn der Premiere des Filmes "Wolfzeit" am Mittwoch im Künstlerhauskino in Wien.
Foto: APA/Oczeret
Wien - Isabelle Huppert prägte schon "Die Klavierspielerin", für die sie bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 2001 den Preis als beste Darstellerin erhielt. Auch bei seinem neuen Streifen "Wolfzeit" (ab Freitag in den heimischen Kinos) hat der österreichische Regisseur Michael Haneke den französischen Filmstar für eine tragende Rolle gewinnen können. Zur gestrigen Österreich-Premiere im Wiener Künstlerhauskino war Huppert extra angereist. Der APA gab sie in ihrer Suite im Hotel Imperial ein Interview.

APA: Frau Huppert, den österreichischen Filmfans sind Sie mit Ihrem intensiven Spiel aus Hanekes "Klavierspielerin"-Verfilmung in bester Erinnerung. Nach diesem intimen Kammerspiel weitet "Wolfzeit" die Perspektive auf die Auswirkungen einer Katastrophe auf die Gesellschaft. Gibt es für Sie dennoch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Filmen?

Huppert: Gemeinsam ist ihnen lediglich der Stil von Michael Haneke. Es ist ein politischer Film, vielleicht sein erster. Haneke hat vorher immer die Welt durch das Verhalten von Individuen betrachtet. Nun geht es um kollektive Realitäten. Statt um einzelne Menschen, geht es nun um die Menschheit.

APA: War das Thema auch der Grund, warum Sie sich in Frankreich für die Finanzierung des Films eingesetzt haben?

Huppert: Nein, ganz und gar nicht. Es ging dabei nur um die Möglichkeit, mit Haneke wieder zu drehen. Mir ging es nicht um politisches, sondern um ästhetisches Engagement.

APA: Was hat Haneke, was andere nicht haben? Was reizt eine Schauspielerin an der Arbeit mit ihm?

Huppert: Ich glaube, ich arbeite gerne mit ihm, weil er gerne mit mir arbeitet. Wir haben beide gleich viel Spaß daran. Es gibt ein offensichtliches Einverständnis, eine Leichtigkeit im miteinander Arbeiten. Wir haben den gleichen Sinn für Rhythmus. Michael ist sehr musikalisch, ich bin es auch - ziemlich. So verstehen wir uns.

APA: In der "Klavierspielerin" war diese Musikalität deutlich spürbar, doch wie äußert sie sich in "Wolfzeit"?

Huppert: Musikalität ist nicht nur gebunden an die Anwesenheit der Musik. Bei der "Klavierspielerin" ist die Musik ein narratives Element, aber auch in "Wolfzeit" gibt es ein paar Takte Musik - in einer Szene, die ich besonders mag. Prägend ist aber sicher die Stille. Was ich in dem Film aber noch bemerkenswerter finde, ist sein Umgang mit der Dunkelheit. Haneke bringt die Dunkelheit zum Leuchten. Er zeigt, was Dunkelheit bedeutet und gibt ihr damit auch einen metaphorischen Wert.

APA: Gerade diese Metapher sorgt bei den ZuschauerInnen immer wieder für Diskussionen. Im Theater wäre auf den Proben sicher viel diskutiert worden, welche Katastrophe nun tatsächlich passiert ist. War das am Set auch ein Thema? Haben die SchauspielerInnen versucht, sich eine konkrete Situation vorzustellen?

Huppert: Nein, das ist bei Filmarbeiten anders. Außerdem lässt Haneke ja vieles absichtlich im Ungewissen. Man weiß nicht wirklich, was sich wirklich ereignet hat - ein Krieg, eine ökologische Katastrophe oder etwas anderes. Man weiß nur, dass es etwas Umwälzendes ist. Und auch über die Menschen in dem Film erfährt man nur wenig, was ihre Persönlichkeit ausmacht. Man sieht zwar genau, welche Rolle sie spielen, wer etwa bourgeois ist, aber man hat als Schauspielerin nicht die normalen Zutaten bekommen, die man sonst für eine Rolle braucht. Wir wurden sehr auf primäre Gefühle reduziert: auf Kälte, auf Angst. Ich spielte eine Mutter, die beunruhigt ist und manchmal aggressiv - das wird aber nicht sehr psychologisch entwickelt.

"Dann ist der Mann tatsächlich wieder der Jäger"

APA: Wird nicht gerade die Frau dabei sehr auf ihre traditionelle Rolle als Beschützerin ihrer Kinder reduziert? Aktiv dürfen nur Männer ins Geschehen eingreifen.

Huppert: Das stimmt. Wenn es ums Überleben geht, kommen wieder uralte Mechanismen zum Vorschein. In dieser Situation ist der Mann tatsächlich wieder der Jäger. Es etabliert sich gleich eine Hierarchie, und man erwartet hier wahrscheinlich tatsächlich, dass es die Männer sind, die nach der Führungsrolle streben. Erst viel später, in einer wieder höher entwickelten Gesellschaft, würden Frauen erneut ihren gleichberechtigten Platz einnehmen können.

APA: Ihre Figur reagiert sehr verhalten, fast kontrolliert, auch nach dem sinnlosen Tod ihres Mannes. Haben Sie sich bei den Dreharbeiten auch die Frage gestellt, wie Sie selbst in solchen Extremsituationen reagieren würden?

Huppert: Man stellt sich schon Fragen, aber nicht diese Art. Es ist wahr, dass Haneke Reaktionen zeigt, die zunächst überraschen, man erwartet vielleicht theatralischere Reaktionen, Zusammenbrüche. Ich glaube aber, dass man dann tatsächlich nur noch versucht, irgendwie zu überleben. Das hört man immer wieder über Menschen, die etwa Kriege überlebt haben oder einen Völkermord wie den Holocaust.

APA: Am Ende von "Wolfzeit" kommen Mythen, und Erlösungsvorstellungen stark ins Spiel. Es heißt ja immer, dass Religionen in Zeiten existenzieller Krisen den größten Zulauf haben.

Huppert: Ich glaube nicht, dass Haneke das zeigen will, denn er ist eigentlich Atheist. Ich finde, dass es weniger eine Religiosität als eine Spiritualität in dem Film gibt - etwa bei dem plötzlichen Auftauchen von Musik, oder im Zusammenhang mit den Kindern.

APA: Was sind Ihre nächsten Projekte? Gibt es auch Ideen für eine nächste Zusammenarbeit mit Haneke?

Huppert: Ich werde wieder einen Film in Frankreich machen, mit der Regisseurin Alexandra Leclère und meiner jungen Kollegin Catherine Frot. Es geht darin um zwei Schwestern. Und natürlich hoffe ich, dass ich auch wieder einmal mit Haneke arbeiten werde. (Wolfgang Huber-Lang/APA)