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Wachsnachbildungen eines Gesichts und einer Hand zweier Leprakranker

Foto: APA/dpa
Würzburg - Sie ist eine der ältesten Seuchen der Welt - schon um 600 vor Christus wurde die Lepra in den Schriften erwähnt. Und trotz beträchtlicher Erfolge bei Diagnose und Behandlung ist der "Aussatz" auch heute noch lange nicht im Griff. Immer noch wird alle 45 Sekunden ein neuer Fall entdeckt, jährlich sind das rund 700.000 neue Patienten. Die Dunkelziffer dürfte sich nach Ansicht von Lepra-Experten noch einmal auf das Doppelte belaufen.

"Lepra tut nicht weh. Deshalb gehen die Betroffenen nicht gleich zum Arzt", erklärt Jürgen König von der Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW; ehemals Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk) in Würzburg, der weltgrößten Lepra-Hilfsorganisation. Die Lepra-Bakterien legen die Nerven und damit das Schmerzempfinden lahm - und verdächtige Flecken auf der Haut lassen sich ignorieren, wenn sie nicht schmerzen. Ohne Gefühl in Händen oder Füßen steigt zwar die Gefahr von Verletzungen und gefährlichen Entzündungen rapide an: Wer nichts empfindet, wenn er sich dem Feuer nähert, verbrennt sich leicht. Wer keinen Schmerz spürt, wenn er sich schneidet, bemerkt eine Infektion der Wunde nicht. Ohne solche Folge-Verletzungen aber bleibt der Gang zum Arzt oft aus.

Keine eindeutigen Statistiken

Wegen der vielen versteckten Fälle und einer schwierigen Diagnose gibt es keine eindeutigen Statistiken zur Entwicklung der Lepra. Als Ersatzzahl werden die gefundenen Fälle pro Jahr herangezogen. Und die liegen nahezu konstant bei 700.000 neuen Patienten. Allein in Indien werden jährlich mehr als 400.000 neue Fälle entdeckt, in Brasilien etwa 40.000. Aber auch in Ländern, in denen Lepra der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge als eliminiert gilt, wie in Tansania oder Äthiopien, erkranken jedes Jahr mehrere tausend Menschen.

Für eine Entwarnung in diesen Ländern ist es demnach viel zu früh. Dass die Krankheit in einem Land "eliminiert" ist, dürfe keinesfalls so gedeutet werden, als ob die Lepra dort keine Gefahr mehr sei, erklärt König, Leiter der medizinischen Abteilung des DAHW. "Elimination" bedeutet der WHO-Definition zufolge lediglich, dass weniger als einer von 10.000 Einwohnern als erkrankt registriert ist.

WHO-Ziel 2000 unerreicht

Ursprünglich setzte sich die WHO das Ziel, die Lepra bis zum Jahr 2000 weltweit zu "eliminieren". Mittlerweile ist die Frist bis 2005 verlängert worden. Sollte die Weltgesundheitsorganisation ihr Vorhaben erreichen, wäre das zwar ein großer Erfolg. Doch auch dann wäre die Lepra noch längst nicht besiegt. Die Inkubationszeit kann mehrere Jahre, manchmal Jahrzehnte betragen, und viele Lepra-Fälle blieben weiter im Verborgenen, so dass die Krankheit auch in Ländern mit Eliminations-Status wieder aufflammen könnte. Eine solche Entwicklung erlebte die Welt nach DAHW-Angaben bei der Tuberkulose: Vor 20 Jahren habe man sich einer Ausrottung der Krankheit nahe geglaubt, heute gehört sie wieder zu den Infektionskrankheiten mit den meisten Todesopfern.

Lepra kommt noch in Dutzenden Ländern vor. Die Übertragungswege sind noch nicht genau bekannt, angenommen wird vor allem Tröpfcheninfektion. Doch unstrittig ist, dass Armut, Mangelernährung und unzureichende hygienische Verhältnisse den besten Nährboden für die Ausbreitung der Erreger bieten.

Die Lepra selbst ist mit einem Medikamenten-Cocktail vollständig heilbar, Behinderungen und Entstellungen bleiben aber oft ein Leben lang. Und noch immer klebt an der Krankheit das Stigma des "Aussatzes" - viele geheilte, aber verstümmelte Patienten verlieren den Rückhalt der Familie oder der Dorfgemeinschaft und finden keine Arbeit mehr. (APA/AP)