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Paul Martin, Kanadas neuer Premier

Foto: Reuters/Derungs
Großer Auftritt des neuen kanadischen Ministerpräsidenten Paul C. Martin beim Weltwirtschaftsforum. Vor Hunderten amerikanischen Industriellen und Managern kritisierte er die Scheinaktivitäten internationaler Konferenzen, die letztlich ein "Vorwand fürs Nichtstun" sein. Gleichzeitig verlange er einen neuen Reformschub für die UNO, weil deren heutige Konstruktion für die Welt von morgen nicht geeignet sei.

Martin trat zusammen mit UNO-Generalsekretär Kofi Annan auf und präsentierte sich atmosphärisch als ein Gegenpol zu US-Präsident George W. Bush, dessen Administration im Zuge des Irakkrieges die UNO als überflüssig bezeichnet hatte.

Stärkere Rolle für die UNO

Annan umarmte den Kanadier, nachdem dieser erklärt hatte: "Wenn die UNO nicht funktioniert, wird alles andere auch nicht gehen." Martins Hauptforderungen: eine stärkere Rolle, vor allem der Finanzminister vis-à-vis dem Sicherheitsrat sowie eine Aufwertung des Sozialrates der UNO.

Martin stimmte der amerikanisch-britischen Position zu, dass bei drohenden humanitären Katastrophen "die Bevölkerung gegen die eigene Regierung geschützt werden muss". Aber die Interventionen bedürften der "richtigen Autorität", womit der kanadische Regierungschef die UNO meinte und indirekt die Alleingänge von Bush und dessen britischem Verbündeten Tony Blair kritisierte.

"Moralische Pflicht"

Martin votierte gleichzeitig für eine "moralische Pflicht der Hilfe" und forderte globale Schritte, um den Armen billige Medikamente zur Verfügung zu stellen. Auch da traf er sich mit Kofi Annan. Der UNO-Generalsekretär forderte in seiner Rede die "Privatwirtschaft" auf, "das absichtliche Nähren von Konflikten" aus kurzsichtigen kommerziellen Motiven zu stoppen. Denn man sei in Gefahr, "in eine Atmosphäre abzugleiten, wo nur noch das Faustrecht gilt".

Annan plädierte für dramatische Agrarreformen zugunsten der dritten und vierten Welt sowie für eine neue Welle der Investitionen. Ein Beispiel: Bis 2015 würden insgesamt 275.000 Wasserversorgungseinrichtungen gebraucht. Allein das zeige die Notwendigkeit der Infrastruktur und deren Rolle für den Aufbau neuer Märkte.

Zum Thema Irak sagte Annan, er werde bald über die Entsendung eines Aufklärungsteams in den Irak entscheiden. Am Montag hatte der Generalsekretär nach einem Treffen mit Vertretern der US-Regierung und einer Delegation des irakischen Übergangsregierungsrates gesagt, er ziehe die Entsendung eines Teams in Betracht. (DER STANDARD, Prinatusgabe, 24.1.2004)