Von Ute Woltron |
Jemanden zu finden, der dem Wiener Architekten und Baumanagement-Profi Sepp Müller die Architekturkompetenz abspricht, ist nicht einfach. Müller ist heute 75 Jahre alt, er gilt in der Szene der Bauer und Planer als der wahrscheinlich geschickteste und, was Architekturqualität anbelangt, mit Sicherheit gefühlvollste Baudurchführer der Nation. Viele Gebäude, die er durchgeführt oder saniert hat, beweisen das. Vom MAK über das Semperdepot bis zur Wiener Eishalle.
Jemanden zu finden, der die österreichische Burghauptmannschaft, die Verwalterin des historischen Immobilienvermögens der Nation, als vorbildlichen Paradebetrieb einstuft, ist ebenfalls nicht einfach. Zu kompromisslerisch sei man dort, zu obrigkeitshörig, und, was die Zahlungsmoral für erbrachte Architekturleistungen anbelange, mehr als saumselig.
Die Masse des Staatsbeamtentums im Rücken
Doch die Architekten sind allesamt den Mächten ihrer Auftraggeber ausgeliefert. Die Burghauptmannschaft könnte für jeden irgendwann einmal ein solcher sein, deshalb wird man sich als Planer normalerweise hüten, derlei Vorwürfe offen auszusprechen. Und während die Architekten alle Einzelkämpfer sind, hat die Burghauptmannschaft die große, träge, mächtige Masse des Staatsbeamtentums im Rücken, die herrlich aus dem weitestgehend risikofreien Raum agieren kann.
Sepp Müller, der Einzelkämpfer, und die Burghauptmannschaft, quasi das System, sind jedenfalls aneinander geraten - und was als ziemlich fruchtbare Kooperation begann, endete in einem Fiasko. Jedenfalls für Sepp Müller, der nun nach einem arbeitsreichen und erfolgreichen Architektenleben mit seinem letzten Auftrag, Sanierungen und Umbauten im Bereich des Völkerkunde Museums Wien durchzuführen, vor dem Ruin steht: Ein Ausgleich, ein anhängiges Verfahren, ein bevorstehender Konkurs, wenn der Ausgleich bis Sommer diesen Jahres nicht bedient wird, und damit der Verlust der Befugnis, als Architekt arbeiten zu dürfen.
Sachverständige sollen nun Licht in das staubige Dunkel bringen
Sepp Müller selbst sagt dazu in seiner korrekten Art nur wenig. Er hofft, dass das vom Gericht nun in Auftrag gegebene Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen Licht in das staubige Dunkel der Vorkommnisse bringen wird. Burghauptmann Wolfgang Beer will sich ebenfalls nicht äußern, nur so viel: "Müller hat seinen Vertrag nicht erfüllt und Leistungen nicht erbracht." Recherchen des STANDARD ergaben allerdings folgendes Bild:
1995 erstellte Müller eine Studie zur Generalsanierung des Völkerkunde Museums, 1996 erhielt er den Auftrag, einen ersten Teil umzusetzen. Dieser erste Teil wurde termingerecht und kostengerecht zu aller Zufriedenheit fertig gestellt und übergeben. 2001 erfolgte deshalb eine Vertragsaufstockung für die noch ausstehende Gesamtsanierung. Doch mittendrin, während alle Arbeiten liefen, wurde Müllers Vertrag gekündigt.
Die Begründung der Burghauptmannschaft: Das Büro Müller sei in finanziellen Problemen und nicht mehr dazu in der Lage, den Auftrag korrekt durchzuführen. Wenigstens dazu sagt Müller: "Die finanziellen Probleme gab es, weil seit 1996 sechs Leute in meinem Büro an dem Projekt arbeiteten. Ich war es immer gewohnt, den Gesamtumfang eines Projektes im Blick zu haben und entsprechend zu planen. Man könnte sagen, ich hätte das nicht tun sollen, weil ich dazu keinen expliziten Auftrag hatte, aber was heißt das schon in Wien."
Müller: "Irgendwann war ich dann ausgehungert"
Die geleisteten Planungsarbeiten wurden jedenfalls nicht entsprechend honoriert. Müller: "Irgendwann war ich dann ausgehungert." Hans Puchhammer, wie Müller emeritierter TU-Professor, ist einer der ganz wenigen, die sich trauen, öffentlich Klartext zu sprechen: "Ich habe den Eindruck, dass Müller kalt abgeschossen wurde, und dass das schon länger vorbereitet war. Ich habe auch den Eindruck, dass der zuständige Beamte in der Burghauptmannschaft seinen Architektenfreund bereits als Nachfolger installiert hatte, während Müller noch an dem Projekt arbeitete."
Diese Nachfolge gestaltete sich reibungslos: Nachdem der Vertrag gekündigt war, wurde Müller aufgefordert, alle Pläne abzuliefern. Er kam dieser Aufforderung nach, wollte, wie er selbst sagt, in Frieden scheiden und legte die Abschlusshonorare. Nach drei Monaten wurden sie unbezahlt zurückgeschickt. Erst darauf hin erhob Müller Klage vor Gericht. Das Verfahren ist anhängig, die Streitsumme beläuft sich auf etwa 700.000 Euro.
Als vermeintlich geschickte Rechenmeister profilieren
Insider stellen folgende Berechnung an: Sollte es zu einem Vergleich kommen, dann zu einer sicherlich geringeren Summe, was der Burghauptmannschaft in jedem Fall ein nettes Körberlgeld einbrächte, das sich aus der Differenz zur geforderten Summe ergibt. Das neoliberale Wirtschaftlichkeitsdenken hat dann zwar ein Opfer gefordert, doch die zuständigen und bereits jetzt auf die Nachfolge des Burghauptmanns schielenden Beamten durften sich vor ihrer übergeordneten Instanz, dem Wirtschaftsministerium, als vermeintlich geschickte Rechenmeister profilieren.
Doch da gibt es auch eine breite und sehr prominente Riege von Architekten, die den Ereignissen aufmerksam gefolgt ist, und Kollegen, die sich nun im STANDARD erstmals zu Wort melden. Schließlich geht es um einen Mann, der wie kaum ein anderer eine ganze Architektengeneration begleitet und geprägt hat, der unzählige wichtige Bauwerke für Leute wie Roland Rainer, Hans Hollein, Gustav Peichl, Heinz Tesar, Hermann Czech, Adolf Krischanitz und viele andere umgesetzt und mitgeholfen hat, eine Baukultur zu schaffen, angesichts derer andere Länder vor Neid erblassen. Vorrangig geht es aber um einen Kollegen, der sich noch nie etwas zu Schulden kommen ließ, und der ungefähr der Letzte ist, dem man Unkorrektheiten, wie sie ihm nun vorgeworfen werden, zutraut.
Unterstützung von Architektenkollegen
Den Beginn darf eine Stimme aus der Vergangenheit machen. Immerhin war es Clemens Holzmeister der behauptete, nie mit einem fähigeren Projektleiter zusammengearbeitet zu haben, als mit einem gewissen Sepp Müller.
Manfred Nehrer: "Es ist entsetzlich, dass Müller, der die Nummer eins auf seinem Gebiet ist, unverdient in eine solche Situation hineinschlittern musste. Ich kenne keinen Baufachmann, dem ich höhere Kompetenz zutraue als ihm, einem integren, fairen und anständigen Menschen."
Friedrich Kurrent: "Er hat das Gebiet der Bauausführung stets vollkommen beherrscht und dabei immer eine sehr konstruktive Ader gehabt, weshalb sich viele Kollegen an ihn wandten, damit er ihre Projekte betreut. Er ist ein wunderbarer Mann, und es ist eine Gemeinheit, irgendetwas Negatives über ihn zu sagen."
Hans Puchhammer: "Er ist herumgereicht worden, weil sich rasch herumgesprochen hat, wie gut er ist. Er hat ein System zur Berechnung von Kostenentwicklungen erfunden und konnte damit monatlich genau Bescheid geben. Es hat immer alles gehalten, was er gesagt hat."
Gustav Peichl: "Müller ist präzise und handwerklich sorgfältig, wie es nur ganz wenige sind. Er ist einer der aufrechtesten, nettesten, fleißigsten Kollegen, die ich kenne. Er hat für mich das ORF-Studio Burgenland abgewickelt, ich kann nur das Beste über ihn sagen."
Roland Rainer: "Ich habe Müller immer als praktischen, sehr interessierten und schöpferischen Mann geschätzt, der technisch und handwerklich alles kann. Er ist sicher das, was man einen wirklich anständigen Charakter nennt. Seine momentanen Schwierigkeiten beruhen vielleicht auf seiner zu geringen Härte und seiner zu großen Gutmütigkeit."
Dieter Henke, Marta Schreieck: "Sepp Müller ist eine Ausnahmeerscheinung, sowohl als Mensch wie auch als Architekt! Wir haben ihn als uneigennützigen, integren, neidlosen Ratgeber und unermüdlichen Kämpfer für Qualität mit allerhöchstem Fachwissen kennen und schätzen gelernt."
Markus Spiegelfeld: "Er ist ein Mann, der im Hintergrund wirkt. Ohne ihn wären viele gar nichts, durch seine Stärke ist eine ganze Architektengeneration zu Stars geworden. Er hat sein Know-how, ohne an Honorarnoten zu denken, zur Verfügung gestellt."
Dietmar Steiner: "Ohne Mitwirkung von Sepp Müller gäbe es viele Meisterwerke der österreichischen Architektur der vergangenen 30 Jahre nicht. Er ist eine Seltenheit und ein Unikat in der österreichischen Architektenlandschaft, und bei all seiner Kompetenz hat er sich immer betont im Hintergrund gehalten. Ich kniee vor dem Sepp."
Volker Dienst, Müller-Schüler und Ex-Mitarbeiter: " Er ist Vorbild für eine ganze Architektengeneration, er hat den Jungen gezeigt, wie man anständig, professionell und menschlich Bauabwicklungen über die Bühne bringt. Gerade ihm die Kompetenz abzusprechen, ist eines öffentlichen Auftraggebers unwürdig, widerspricht jedem Berufsethos und ist letztlich nichts als eine Schande. Müller hat nichts mehr, außer seinem Ruf. Den auch noch zu zertrümmern, ist ungeheuerlich."
Jakob Dunkl, Müller-Schüler und Ex-Mitarbeiter: "Er ist ein Chef mit unvergleichlichen menschlichen Qualitäten und hat sich für Auftraggeber und Kollegen bis zur Selbstaufopferung engagiert. Als Kapazität in der Baudurchführung ist er unumstritten."