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Bei dem Konflikt zwischen Frankreich und Großbritannien um den Irak-Krieg soll es um mehr gegangen sein als nur um den Irak.

Foto: REUTERS/Russell Boyce
London - Eine neue Biographie über den britischen Premierminister Tony Blair offenbar ein tiefes Zerwürfnis mit dem französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Blair soll während der Irak-Krise im vergangenen Jahr gedacht haben, dass es Chirac "auf ihn abgesehen hatte", sagte Buchautor Philip Stephens am Montag. "Ich bin überzeugt, dass er glaubte, der Konflikt mit Chirac hatte sich über die Irak-Frage hinweg zu einem Wettkampf um die politische Führung Europas ausgeweitet", so Stephens. "Chirac hoffte darauf, dass Blair gestürzt werden würde."

Interviews mit engen Vertrauten und Geheimdienstberichte

Die auf Interviews mit engen Vertrauten von Blair und britischen Geheimdienstberichten basierende Biographie mit dem Titel "From Tony Blair" soll im Februar erscheinen. Auszüge waren bereits am Montag in der Londoner Tageszeitung "Financial Times" zu lesen, für die Stephens arbeitet.

Blair sei "teilweise auf der Basis von britischen Geheimdienstberichten" zum Schluss gekommen, dass ihn Chirac fertig machen wollte. "Diesen Berichten zufolge hatte Chirac entschieden, dass Blair dessen eigene Position als natürlicher Führer Europas usurpiert hatte. Daher war es Zeit für den französischen Präsidenten, sich wieder Geltung zu verschaffen und diesem Treulosen die Flügel zu stutzen", erläutert Stephens.

Französische Regierungsbeamte dementieren

Französische Regierungsbeamte hätten diese Deutung zwar zurückgewiesen, "aber Blair glaubte es, und sagte engen Vertrauten, dass Chirac es auf ihn abgesehen hatte". Auszüge aus privaten Gesprächen des französischen Präsidenten, die Blair zugetragen worden seien, "ließen den Schluss zu, dass er (Chirac) ihn gerne stürzen sehen würde".

Konflikt in Irak-Krise

Großbritannien hatte sich während der Irak-Krise im Herbst und Winter 2002/03 auf die Seite der USA geschlagen und deren Kriegskurs genauso vehement unterstützt, wie dieser von Frankreich abgelehnt wurde. London warf Paris damals vor, im UNO-Sicherheitsrat eine Resolution zur Kriegsermächtigung verhindert zu haben. Stephens wies aber darauf hin, dass gerade die harte Haltung Frankreichs Tony Blair das Vorgehen erleichtet habe, da er so auch ohne UNO-Resolution gegen den Irak habe vorgehen und zudem "die nationale Tradition der Feindschaft gegenüber Frankreich" in Großbritannien ausnützen haben können. Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen Blair und Chirac wieder "OK", glaubt Stephens. "Es wird aber nie warm sein."

Cheney sah Blair als "unwillkommenen Störfaktor

Stephens stützt in seinem Buch auch den öffentlichen Eindruck, wonach der britische Premierminister keinerlei Einfluss auf die US-Politik gegenüber dem Irak gehabt habe. So habe US-Vizepräsident Dick Cheney die britischen Versuche massiv hintertrieben, im UNO-Sicherheitsrat eine Mehrheit für den Irak-Angriff zu erlangen. "Cheney machte nie ein Hehl aus seiner Ungeduld in Hinblick auf den Krieg und seiner Verachtung für den Rat, dass die USA den Segen der UNO für die Entfernung (des irakischen Präsidenten) Saddam (Hussein) bräuchten", schreibt Stephens. "Wenn wir einmal den Sieg in Bagdad erreicht haben werden, werden alle Kritiker wie Idioten aussehen, sagte Cheney einem hohen britischen Beamten im Sommer 2002. Blair war (für Cheney) nur ein unwillkommener Störfaktor." (APA/Reuters)