Das Kind will beim Vater bleiben, das Gericht will es bei seiner Mutter in Schweden sehen.

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Im Kampf um die Obsorge bleibt die Rücksicht auf die Kinder meist als erstes auf der Strecke. Im Salzburger Flachgau kam es Montagabend im Sorgerechtsstreit um einen achtjährigen Buben zu wilden Szenen.

Mit Händen und Füßen wehrte sich der Volksschüler gegen zwei Gerichtsvollzieher, die ihn vor dem Haus seines Vaters in Großgmain in ein Gendarmerieauto verfrachten wollten. Der Bub wurde wegen Verletzungsverdacht ins Salzburger Kinderspital gebracht.

Vor knapp zwei Wochen war der erste Versuch des Bezirksgerichts, den Volksschüler zu seiner Mutter nach Schweden zu bringen, gescheitert. Das Obsorgerecht liegt seit 1999 bei der Mutter, der Vater des Buben war mit seinem Einspruch vergangenen Dezember abgeblitzt.

Wie das Bezirksgericht Salzburg nun weiter vorgeht, blieb unklar. Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, erklärte der Vorsteher des Bezirksgerichtes, Hadmar Hufnagl, am Dienstagnachmittag, dass der zuständige Richter voraussichtlich am Mittwoch eine Entscheidung treffen werde.

Freie Willensentscheidung eingeschränkt

Der Vizepräsident des Salzburger Landesgerichtes, Philipp Bauer, zitierte aus dem Gutachten, auf das sich der Bezirksrichter beruft: Demnach sei die freie Willensentscheidung bei Christian durch die massive Beeinflussung durch den Vater eingeschränkt. Das Kind brauche für eine konsequente sowie liebevolle Erziehung seine Mutter. Das Obsorgerecht "lag nach der Scheidung immer bei der Mutter", betonte Bauer. Während eines Besuches des Buben habe der Vater das Kind in Salzburg behalten.

Christians Mutter hatte bereits zwei Wochen in Salzburg auf die Aushändigung ihres Sohnes gewartet. Am vergangenen Donnerstag sei ein klärendes Gespräch mit dem Vater gescheitert, so Hufnagl. Die Frau, die drei Kinder zu versorgen hat, musste wieder zurück fliegen.

Gegen ihren Ex-Mann läuft jetzt eine Anzeige wegen Kindesentziehung. Offiziell gelte der Bub als abgängig, sagte der Postenkommandant von Wals-Siezenheim, Kurt Pokorny. Im Einvernehmen mit dem Gerichtsvollzieher habe er am Montag den Übergabeversuch nach dreieinhalb Stunden abgebrochen, weil eine Verletzungsgefahr beim Kind nicht auszuschließen war.

"Kein Versteckspiel"

Der Anwalt des Vaters, Florian Kreibich, appellierte am Dienstag an das Gericht, Christian "auf neutralem Boden eine Auszeit" zu gewähren. Von einem Versteckspiel könne keine Rede sein.

Laut Justizministerium komme es "äußerst selten" vor, dass ein Kind zwangsweise einem Elternteil abgenommen werde. "Es ist zu bedenken, dass diese für das Kind stark belastende Situation in erster Linie dadurch zustande kommt, dass sich der Elternteil, bei dem sich das Kind derzeit aufhält und der das Kindeswohl gefährdet, nicht an den vollstreckbaren Gerichtsbeschluss hält". Sei das Kindeswohl gefährdet, könne der Richter eine zwangsweise Durchsetzung anordnen. (APA, fern/DER STANDARD; Printausgabe, 28.1.2004)