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Stéphane Lissner

Foto: APA/Schlager

Wien - Natürlich, die Beziehung zu Freund Luc Bondy. Vor allem sie ist daran "schuld", dass Stéphane Lissner ab 2005 nach Wien als Musikchef der Wiener Festwochen kommen wird. Allein, hätte Festwochenchef Bondy versucht, Lissner, der bis 2009 parallel auch Festivalchef in Aix-en-Provence ist, etwa nach Frankfurt zu holen, er hätte sich eine Abfuhr geholt. Ebendort hätte der 50-jährige Franzose einst arbeiten sollen - alles war besprochen, der Vertrag war aufgesetzt.

Doch dann ging Lissner ein bisschen durch Frankfurt spazieren, und von Schritt zu Schritt waren die Zweifel größer geworden, ob er dort Ideen haben und es überhaupt schaffen würde, Leute nach Frankfurt zu holen. Es muss bei diese Spaziergängen übrigens Nacht gewesen sein, denn "ich weiß nicht, warum, aber in der Nacht lerne ich eine Stadt am besten kennen".

Bis man die konzeptuellen Ergebnisse seiner Wien-Rundgänge kennen lernen wird können (er ist zurzeit monatlich eine Woche in der Donaustadt), muss man bis zum September warten. Lissner plant noch, redet mit allen möglichen Leuten. Sicher ist: Er will ab 2005 zwei Eigenproduktionen in Wien machen, mit Wiener Künstlern zusammenarbeiten und auch den TV-Kanal Arte dazu überreden, Produktionen zu senden - dies würde finanziell helfen.

Das Klangforum Wien wird er nicht nur bei der Uraufführung der Georg-Friedrich-Hass-Oper Melancholia (2006) einsetzen. Er denkt auch an die Symphoniker, und auch mit dem werdenden Musicalhaus Ronacher will er koproduzieren. Schließlich: Auch ein Projekt mit den Wiener Philharmonikern hält er für möglich, auch da wird es bald Gespräche geben. "Ich habe es schon geschafft, für Aix-en-Provence einen Wagner-Ring mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern zustande zu bringen - man muss auch ein bisschen utopisch agieren."

Ziemlich sogar. Schließlich sind die Philharmoniker an der Staatsoper eher ausgelastet, und deren "Chef" Ioan Holender hat angesichts der Bestellung Lissners unfreundliche Begrüßungsworte gesprochen. Lissner sei ein glänzender Organisator. Ihn aber als Fachmann für Musik und Oper zu engagieren sei absurd. Und, so ätzte Holender: "Schön, dass die Stadt Wien ein bankrottes französisches Festival quersubventioniert."

Kein Ego-Problem

Lissner will auf diese Ebene der Diskussion nicht herabsteigen: "Ich habe kein Problem mit meinen Ego. Ich komme nicht meiner Karriere wegen nach Wien. Wenn ich mit Holender sprechen soll, werde ich das tun." Aix, das letztes Jahr wegen Streiks abgesagt wurde, ist übrigens nicht bankrott. Der Staat hat alle Rechnungen beglichen, im nächsten Jahr gibt es sogar ein höheres Budget als bisher.

Lissner dürfte sein Handwerk beherrschen - er hat ja schon einiges hinter sich. Mit 21 gründet er das Théâtre mécanique, er war Leiter des Pariser Théâtre du Châtelet, Ende 1997 übernahm er Aix-en-Provence. Und seit 1998 leitet er auch das Pariser Théâtre des Bouffes-du-Nord. Natürlich, ein bisschen viel gleichzeitig ist das schon, oder? "Ich habe immer zwei bis drei Sachen gleichzeitig gemacht, die Koordination zwischen Aix-en-Provence und Festwochen ist kein Problem. Schwierig ist es nur zwischen 6. und 12. Juni. Auch wird es keine Kooperationen mehr geben. Wenn ich etwas für Wien entwickle, was gut ist, werde ich es aber nach Frankreich bringen, also einmal den umgekehrten Weg gehen."

Das ist ihm auch zu raten. Denn es ist schon insgesamt eine einzigartige Ansammlung von Nahverhältnissen, die er zu bewältigen hat: Als Aix-en-Provence-Chef ist er der Boss von Regisseur Luc Bondy. Dann ist er als Aix-Chef Kooperationspartner von Festwochenchef Bondy - schließlich wurden noch vor Lissners Wiener Bestellung einige langfristige Kooperationen ausgemacht. Nun ist Bondy aber auch noch sein Chef, wenn sich Lissner in Wien um die Musik kümmert.

Die Zugabe: 2005, wenn die Aix-en-Provence-Produktion von Händels Hercules (Regie: Luc Bondy) in Wien läuft, ist Lissner auch noch sein eigener Kooperationspartner. Möge er weder mit einem der drei Bondys noch mit Lissner in Streit geraten . . . (Ljubisa Tosic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 1. 2004)