Etat
Sesselrücken im ORF-Kuratorium
Eine neue Regierung führt zu Abgängen und Neuzugängen im Aufsichtsgremium
Sesselrücken im ORF-Kuratorium hieße es nach der Bildung einer möglichen ÖVP-FPÖ-Regierung. Die Runde der ÖVP- und FPÖ-Kuratoren, die schon jetzt mit 17 Vertretern die größte Gruppe im 35-köpfigen Aufsichtsgremium
bilden, dürfte weiter Zuwachs finden und damit knapp an die Zweidrittelmehrheit herankommen. ÖVP-Ministerin Elisabeth Gehrer und FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler betonten aber nach der 5. Verhandlungsrunde, dass man die von der Regierung entsandten Kuratoren, neun an der Zahl, fünf davon SPÖ, nicht vorzeitig abberufen werde. Ihrer
Funktionsperioden sollen auslaufen. "Es geht im Kuratorium um Inhalte, nicht um Parteipolitik", so Geher.
Zu einer Neubesetzung der Regierungsvertreter könnte es aber kommen, wenn sich einer der betroffenen Kuratoren aus
eigenen Stücken zurückzieht. Die von der SPÖ ausgewählte unabhängige Erika Pluhar hat dies bereits vor einigen Wochen
in einem Schreiben an Bundeskanzler und SPÖ-Chef Viktor Klima angekündigt. Ihr Sitz könnte von der neuen Regierung
unter Wolfgang Schüssel mit einer unabhängigen, einer der beiden Parteien nahe stehenden Person nachbesetzt werden.
Spekulation um die Position von Kalina
Spekulation gibt es auch um die Position von Kanzler-Sprecher Josef Kalina. Er sitzt als SPÖ-Vertreter ebenfalls auf einem
Regierungsmandat, und wird künftig als Redakteur bei der "Kronen Zeitung" tätig sein. Verschiedene
Kuratoriumsmitglieder halten es für unvereinbar, dass Kalina beim einem Konkurrenzunternehmen des ORF - die "Krone"
verfolgt seit Jahren eigene Privat-TV-Pläne und ist an mehreren kommerziellen Regionalradios beteiligt - tätig ist und
gleichzeitig dem obersten Aufsichtsgremium des ORF angehört.
Auf SPÖ-Seite hält man dem entgegen, dass dann auch die Position des Salzburger ÖVP-Kurators Helmut Mödlhammer in
Frage zu stellen wäre. Mödlhammer ist Chefredakteur der "Salzburger Volkszeitung" und vertritt als
Gemeindebundpräsident die Gemeindeinteressen beim Thema Werbesteuer. Der ORF ist einer der größten Zahler der
Abgabe.
Zu Änderungen bei den Regierungskuratoren kommt es aber auch auf ÖVP-Seite. Ulrike Baumgartner-Gabitzer gehört seit
der Wahl im Oktober als ÖVP-Abgeordnete dem Parlament an. Als solche darf sie laut Rundfunkgesetz nicht mit einem
Regierungs-Ticket im Kuratorium fahren. Fixe Konstante bei der medienpolitischen "Reise nach Jerusalem" ist auch die
Ablöse des Liberalen Kurators Friedhelm Frischenschlager, der auf einem der sechs Parteien-Mandate sitzt. Seinen Platz
dürfte Dieter Böhmdorfer von der FPÖ übernehmen.
Unklar ist noch, ob sich SPÖ-Parteien-Kurator Andreas Rudas nach seinem Abgang aus der Bundesgeschäftsführung auch
vom Kuratorium zurückzieht. "Das ist noch alles offen, das wird jetzt in nächster Zeit entschieden." Rudas sieht kein
Problem darin, dass er künftig für den Magna-Konzern Frank Stronachs tätig sein wird. Stronach hatte ja im Vorjahr in
Konkurrenz zum ORF Sportkanalpläne in Österreich verfolgt, diese dann aber wieder verworfen. "Es gibt im Moment keine
Pläne, in Österreich in Konkurrenz zum ORF zu treten. Die Magna-Vorhaben im Medienbereich beziehen sich derzeit auf
Europa und Amerika", so Rudas. Als Nachfolger des SPÖ-Mediensprechers Rudas wird übrigens Josef Cap kolportiert.
Klar scheint indes der Abgang von ORF-Kurator Ernest Hauer. Nachdem der ORF-Betriebsrat erst vergangene Woche eine
deutliche Niederlage bei den Zentralbetriebsratswahlen im ORF hinnehmen musste, dürfte Hauer Ende Februar von einem
Vertreter der Freien ORF-Mitarbeiter abgelöst werden.
Auch höhere Ministerweihen könnten noch für Bewegung im obersten Aufsichtsgremium des öffentlich-rechtlichen Senders
sorgen. Der Kärntner Kurator Klaus Pekarek wurde zuletzt immer wieder als potentielles Mitglied einer
ÖVP-FPÖ-Regierung genannt. Bei den übrigen Landesvertretern dürfte sich nicht viel ändern; zumindest bis 2001, dann
finden nämlich in Wien und Burgenland Landtagswahlen statt, die wieder für etwas Bewegung in den Reihen der
ORF-Aufsichtsräte sorgen könnten.
ÖVP und FPÖ haben Mehrheit im ORF-Kuratorium
Das oberste Aufsichtsgremium des ORF setzt sich aus 35 Mitgliedern zusammen. Neun Kuratoren entsendet
die Bundesregierung, sechs Vertreter werden von den im Nationalrat vertretenen Parteien genannt, neun Mitglieder
bestimmen die Bundesländer, fünf der Zentralbetriebsrat (ZBR) des ORF und sechs die Hörer- und Sehervertretung (HSV)
des ORF. Die Funktionsperiode des Gremiums dauert drei Jahre und endet am 14. Juli 2002. (APA)