Rom - Der Chef des italienischen Richterverbandes ANM, Carlo
Fucci, ist zurückgetreten, nachdem er der Regierung Berlusconi
Methoden zur Einschüchterung der Richter und Staatsanwälte wie in der
Faschismus-Zeit vorgeworfen hatte. Die Regierung Berlusconi setze
ihre Macht "wie einen Knüppel" gegen die Justiz ein, hatte Fucci
betont. Sein Verband hatte bei einer Tagung in Venedig am Wochenende
einen zweitägigen Streik gegen die Regierung Berlusconi am 11. und
12. März beschlossen. Fuccis Worte hatten in Regierungskreisen heftige Reaktionen
ausgelöst. Auch Kammerpräsident Pier Ferdinando Casini protestierte
wegen der Aussagen des ANM-Sekretärs heftig und bezeichnete Fuccis
Vergleich als unannehmbar. Mit Fuccis Rücktritt haben die Spannungen
zwischen der Regierung Berlusconi und dem italienischen Justizsystem
einen neuen Höhepunkt erreicht.
"Hassenswerter als der
Faschismus"
Regierungschef Silvio Berlusconi hatte vor zwei Wochen bei einer
Rede anlässlich des zehnten Jahrestags seines Einstiegs in die
Politik die Mailänder Staatsanwälte "hassenswerter als der
Faschismus" bezeichnet. "Der Faschismus war weniger hassenswert als
diese richterliche Bürokratie, die im Namen der Justiz Gewalt
ausübt", hatte Berlusconi in einer Rede vor rund 6.000 Anhängern
seiner liberalkonservativen Partei Forza Italia betont. Er
beschuldigte erneut die oppositionelle Linke, befreundete
Staatsanwälte und Richter für Untersuchungen gegen ihn einzusetzen.
Ihr Ziel sei der Sturz seiner Regierung.
Daraufhin beschloss der Oberste Richterrat (CSM), rechtliche
Maßnahmen zum Schutz der Mailänder Staatsanwälte zu ergreifen. Der
CSM hat verfassungsmäßig das Recht, die Autonomie und die Ehre des
Richterstands und einzelner Staatsanwälte und Richter zu verteidigen,
hieß es.
Berufskarrieren
Im Mittelpunkt des Streits zwischen der Regierung Berlusconi und
den italienischen Richtern steht eine Justizreform, die die
Mitte-Rechts-Koalition im Parlament durchzusetzen versucht. Kernpunkt
der Reform, die in den vergangenen Tagen vom Senat verabschiedet
wurde und nun auch von der Abgeordnetenkammer gebilligt werden muss,
ist die strikte Trennung der Berufskarrieren von Staatsanwälten und
Untersuchungsrichtern auf der einen Seite sowie Richtern auf der
anderen. Das bedeutet, dass Staatsanwälte und Richter nicht mehr wie
bisher üblich zwischen den verschiedenen Funktionen wechseln können.
Laut ANM zielen die Reformpläne der Regierung Berlusconi eindeutig
darauf, die Rechtsprechung unter den Einfluss der jeweiligen
politischen Mehrheit zu stellen. Die Unabhängigkeit der Richter werde
stark beschnitten. (APA)