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Ausgebremst: Der parteifreie EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin wurde aus der Fraktion ausgeschlossen.

Foto: APA/Europäisches Parlament

Gehen wieder getrennte Wege: Hans-Peter Martin (vorne) und Hannes Swoboda. Einig war man sich ohnedies nie.

Foto: STANDARD/Rudolf Semotan
Der SPÖ-Listenführer selbst sieht sich als Opfer eines "Kesseltreibens". Jetzt ist der Journalist und Autor nicht nur partei-, sondern auch fraktionslos.


"In übelste Stasi-Zeiten zurückversetzt" fühlten sich einige SPD-Abgeordnete im Europaparlament durch ihren österreichischen Exkollegen Hans-Peter Martin - so ist es in einem Schreiben zu lesen, das die EU-Delegation der SPÖ am Donnerstag in Straßburg und Brüssel öffentlich zugänglich machte. Der Angegriffene selbst war am Vorabend von seiner Fraktion ausgeschlossen worden. Martin seinerseits sieht diese Sanktion als Folge seiner Kampagne für mehr Transparenz bei den Abgeordnetengehältern.

"Bespitzelung" und "an Nötigung grenzendes Verhalten" wollen die EU-Sozialdemokraten bei ihrem nun suspendierten Kollegen und EU-Wahllistenführer der SPÖ von 1999 ausgemacht haben. Martin habe die ganze Fraktion bei strittigen Themen per Kamera und Tonband observiert, heißt es in einem der von der SPÖ-Delegation veröffentlichten Briefe. Auch von Fotoaufnahmen ist die Rede. Die Fraktion ihrerseits ließ am Mittwoch in Straßburg eine Pressekonferenz Hans-Peter Martins auf Video aufzeichnen.

Britische und deutsche Parlamentarier hätten sich bei Fraktionschef Enrique Barón Crespo "bitter beschwert", sagt SPÖ-Delegationsleiter Hannes Swoboda zum STANDARD. Auf der Fraktionssitzung von Dienstag war Martin daher zu einer Entschuldigung aufgefordert worden, die aber ausblieb. Was folgte, war am Mittwoch die Suspendierung. Er habe den "Konflikt gesucht, gefunden und ihn bekommen", sagt SPÖ-Europasprecher Caspar Einem in Wien.

Martins Reaktion auf die Suspendierung erfolgte per Rundmail: "Ich lasse mich weiterhin nicht mundtot machen." Martin bringt die Sanktion mit seiner seit Monatsbeginn betriebenen Kampagne für mehr Transparenz in Zusammenhang: Er fordert seine Fraktionskollegen auf, ihre tatsächlichen Reisekosten und Sitzungsgelder offen zu legen - wie er es selbst auf einer Internetseite tut.

Martin greift auch Fraktionschef Crespo an. Der deutsche Delegationsleiter Martin Schulz habe zu ihm gesagt: "Der Enrique Barón lebt von der Reisekosten-Abrechnungen wie alle Spanier".

Die Reisekostenregelung des EU-Parlaments ist höchst umstritten, da die Abgeordneten Entfernungspauschalen bekommen, die teilweise erheblich über den tatsächlichen Kosten der Anreise nach Brüssel oder Straßburg liegen. Die Parlamentarier erhalten zudem ein Tagegeld von 262 Euro, wenn sie ihre Anwesenheit dort durch ihre Unterschrift in einer Sitzungsliste belegen können. Martins Exkollegen werfen ihm vor, sie bei der Eintragung in diese Listen "bespitzelt" zu haben.

Swoboda reagiert auf die Frage des STANDARD, warum er und seine fünf anderen österreichischen Kollegen in Brüssel nicht einfach der Forderung von Martin nach Offenlegung der Reisebelege gefolgt seien, so: "Wenn es ein ernstes Anliegen gewesen wäre, hätte er es schon vor Monaten auf einer unserer Sitzungen vorgeschlagen. Jetzt aber kam die Forderung von außen". (DER STANDARD, Printausgabe, 13.2.2004)