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"Österreich zuerst" scheint das Motto zu sein, wenn es um die Frage geht, wie die künftigen Budgets der Europäischen Union aussehen sollen. Österreichs Bundeskanzler hat gemeinsam mit fünf weiteren Regierungschefs von so genannten Nettozahler-Ländern einen Brief nach Brüssel geschickt und erklärt, man wolle künftig nur noch bis zu einer Obergrenze von 1 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zahlen. Derzeit gilt als Obergrenze 1,27 Prozent. Wegen sehr sparsamer Gestion in den letzten drei bis vier Jahren werden derzeit weniger als 1 Prozent ausgegeben. Die Union spart für den Zeitpunkt der Erweiterung. Und die Kommission hat vorgeschlagen, mit dem Erweiterungsschritt beginnend bis zum Ende der kommenden Budgetperiode 2007 bis 2013 das Budget schrittweise auf die geltenden 1,27 Prozent anzuheben. Was ist davon zu halten?

Prinzip der Solidarität

Österreich zahlt etwa 2 Prozent des EU-Budgets und Österreich ist Nettozahler in der Union. Das heißt, dass wir mehr in das gemeinsame Budget einzahlen, als wir von dort wider heraus bekommen. Das liegt daran, dass Österreich zu den wohlhabenden Ländern Europas zählt und dass die EU das Prinzip der Solidarität anwendet: die Länder und Regionen, die in ihrer Wirtschaftsleistung noch nicht europäischen Durchschnitt erreicht haben, werden finanziell unterstützt, damit sie aufholen. In Österreich hat vor allem das Burgenland davon profitiert. Mit der Erweiterung der Union kommen sieben arme Länder hinzu, Malta, Cypern und Slowenien liegen schon ganz gut. Wenn diese Länder aufholen sollen, dann muss dort investiert werden – in Infrastruktur, Bildung, funktionstüchtige Verwaltung und Justiz, eine neue Grenzkontrolle nach außen usw.

Wachstumsschwäche

Europas Wirtschaft befindet sich seit mehr als drei Jahren in einer – mild gesagt – Wachstumsschwäche, die Arbeitslosenzahlen steigen. Die einzigen Länder, deren Wirtschaft noch wächst, sind die Erweiterungskandidatenländer. Aber auch dort müsste sie stärker wachsen, wenn sie innerhalb einer Generation aufholen sollen. Und: wir in Österreich müssen alles Interesse haben, dass die Wirtschaft unserer Nachbarländer floriert, weil wir die sind, die – neben diesen Ländern selbst – am meisten davon profitieren. Das heißt: jeder Euro, der dort vernünftig investiert wird, beschleunigt die Wirtschaftsentwicklung und erhöht die Fähigkeit dieser Länder, zusätzliche Güter und Dienstleistungen aus der EU und insbesondere aus Österreich und Deutschland, die dabei schon bisher die Hauptnutznießer waren und sein werden, zu kaufen.

Ja zu mehr Mitteln für die EU

Daher muss Österreich Interesse daran haben, dass die EU in den Erweiterungsländern optimal investiert, ihnen hilft, ihre Wirtschaft zu entwickeln, ihr Wachstum anzukurbeln. Und es kommt noch eines dazu: von jedem Euro, den die EU dort investiert, kommen ganze zwei Cent aus Österreich. Weil Österreich zum EU-Budget nur 2 Prozent beiträgt. Nettozahler heißt nämlich nicht, dass wir alles zahlen. Nettozahler heißt nur, dass wir von dem, was wir zahlen, weniger zurückbekommen als 100 Prozent. Und das ist richtig, wenn wir nicht nur ans Budget, sondern auch daran denken, dass Europa und dass Österreich Wachstum braucht, um Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Und dafür brauchen wir unter anderem die Nachfrage aus den Kandidatenländern. Die Antwort lautet daher klar: Ja zu mehr Mitteln für die EU, wenn sie sie vernünftig einsetzt. Und gute Investitionen in den Kandidatenländern nützen (nicht zuletzt) Österreich.