Der Fall Christian. Exekutoren zerren einen Achtjährigen vor Fernsehkameras und Fotografen ins Auto. Sein Vater legt sich quer, dass Christian zu seiner Mutter nach Schweden gebracht wird, wie das Gericht entschied. Die "ZiB 1" berichtet groß, die "Krone" komponiert daraus eine Titelseitenoper. Und viele andere Blätter spielen eifrig mit.

"Instrumentalisiert"

Auch die "Salzburger Nachrichten". Deren Inlandschef Andreas Koller sagt Montagabend: "Das Hauptproblem war: Wir Journalisten haben nicht geschnallt, dass wir vom Vater instrumentalisiert wurden." Nachsatz: "Die "Krone" hat unreflektiert den Standpunkt des Vaters eingenommen."

Ob das Kleinformat tatsächlich so unreflektiert inszenierte, bleibt bei der Debatte der "Initiative Qualität im Journalismus" (IQ) offen: "Krone"-Chronikchef Claus Pándi sagte kurzfristig ab.

So gibt ORF-Chefredakteur Werner Mück allein das Ziel ab für die Kritiker.

Mück räumt ein, die "ZiB 1" hätte Christians Gesicht vielleicht doch unkenntlich machen sollen. Großaufnahmen vermied der ORF, betont er. Die Szene herausschneiden, als der Bub ins Auto gedrängt wird? Gerade um die "formale Kälte des Gerichts" sei es gegangen, das "angemessene Gewalt" beim neuerlichen Versuch guthieß, das Kind abzuholen. Um die "amtliche Jagd auf ein Kind".

"Schubumkehr" konstatiert da STANDARD-Kolumnist Günter Traxler: "Die Justiz ist an allem schuld", obwohl sie ein "offensichtlich richtiges Urteil" fällte. Selbst die "Krone" wusste schließlich vom zufriedenen Christian bei seiner Mutter zu berichten. "Die 'amtliche Jagd auf ein Kind‘ hätte es nicht gegeben, hätten nicht die Medien den Fall hochgeschaukelt."

Hemmschwelle ade

Die Branche ist gut beraten, viel mehr Zurückhaltung zu üben, damit die Hemmschwelle nicht immer weiter absinkt“, sagt APA-Chefredakteur Wolfgang Mayr. In der Morgenkonferenz habe die APA entschieden, keine Bilder von dem Vorfall in Salzburg zu bringen. "ZiB", "Krone" und andere hatten sie schon am Vorabend dieser Entscheidung gebracht. An die APA hatte Christians Vater offenbar nicht gedacht. (fid/DER STANDARD, Printausgabe vom 18.2.2004)