Kein Klumpert in Retro-Rot, in tieftraurigem Schwarz, im Blau sich verfärbender Giftpilze oder im Grün wie das Moos.

Foto: Matthias Cremer

+++Pro
Von Michael Völker

Meist hängen viele Nullen dran, und es geht um Millionen. Oder Milliarden. Das ist doch verdammt sexy, wie versucht wird, uns einzukochen. Natürlich sind wir nicht blöd und lassen uns nicht so verkaufen, wir wissen, das ist alles Schall und Rauch und Lug und Trug. Und nach dem Wahltag ist alles vergessen, wenn auch nicht vergeben. Dennoch: Es ist doch herrlich, sich vorzustellen, was wäre wenn. Wenn diese Versprechen ernst gemeint wären. Gratis Kindergarten. Die perfekte Schule. Bildung für alle und umsonst. Mehr Kindergeld, Familienbeihilfe, Pflegegeld, höhere Pensionen, niedrigere Steuern. Man möchte die Augen schließen und es glauben. Wenigstens ein paar Wochen lang.

Ich gebe zu, ich versuche mir das jetzt schön zu lügen, weil ich mich leichtfertig bereit erklärt habe, dieses Pro zu schreiben, und je näher der Tag der Abgabe rückte, desto schwieriger erschien mir dieses Unterfangen. Darum sage ich jetzt: Zuckerln ja, gerne auch bunt. Müssen ja nicht alle Farben sein. Und vielleicht ist eines dabei, das gegen aufkommende Übelkeit hilft.


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Contra---
Von Gudrun Harrer

Oje, jetzt ist wieder die Zeit angebrochen, in der man sich, Samstagfrüh-blödmüd ungestört auf den Kutschkermarkt einkaufen gehen wollend, an grinsenden Menschen vorbeischlängeln muss, die man nicht kennt und die man nicht - und Samstagfrüh schon gar nicht - kennenlernen möchte (und sie einen im Grunde ja auch nicht). Um nicht meinen ökologischen Fußabdruck unnötig zu vertiefen, weigere ich mich, Wahlfolder entgegenzunehmen, die sich in dem Moment, in dem ich sie in der Hand halte, in Altpapier verwandeln. Und ich will auch keine Wahlzuckerl, metaphorische oder echte, kein Klumpert in Retro-Rot, in tieftraurigem Schwarz, im Blau sich verfärbender Giftpilze oder im Grün wie das Moos, das das Antlitz des Parteivorsitzenden langsam überzieht. Aber halt, es gäbe etwas, wo vielleicht sogar ich schwach werden könnte, nämlich bei Nasenklammern, die dem bedauernswerten Wahlvolk erst erlauben würden, sich über den Wahlzettel, über die Urne zu beugen. Meine präferierte Nasenklammer-Farbe verrate ich aber nicht. (Der Standard/rondo/05/09/2008)