Nachdem es an der Apfelessig- und Eigenurintrinkerfront einigermaßen still geworden ist, hat uns nun ein weiteres Heilmittel aus Mutter Naturs großer Apotheke erreicht: das Kraut der Unsterblichkeit.
Keine Frage, dieser Name ist verheißungsvoll, und es ist auch deutlich reizvoller, sich mit Tee auf den Weg des fast ewigen Lebens zu machen als beispielsweise mit dem Morgenlulu. Letzteres ließ Ihr Grünzeug im Selbstversuch aus, das Kraut der Unsterblichkeit hingegen wurde genauer unter die Lupe genommen.
Nicht, weil man sich davon tatsächlich die sofortige Heilung oder Verhinderung jedweder Gebrechen versprach, sondern weil diese Pflanze recht interessant anzuschauen war - damals im Frühling und im Gartenzentrum: Es stand da ein zierliches, rankendes Gewächs mit satt-dunkelgrünen fünffingrigen Blättern in einem schmächtigen Töpfchen. Mitnehmen und aufpäppeln wollte man es, denn für die Ewigkeit schien es nicht gepflanzt. Das war, wie gesagt, vor etwa fünf Monaten. Zwischenzeitlich wuchs sich das vormals magere Kräutlein deutlich aus, ja es überwucherte in Windeseile mehrere Gerüste, kletterte auf Bücherregale und konnte nur durch radikales Abstutzen davon abgehalten werden, über Luster und Vorhangstangen den Weg zu Fenster und Freiheit zu finden. Eine wahrlich vitale Pflanze, so viel steht fest.
Ziemlich gut sogar
Und da man in Südchina, wo das Kraut herkommt, angeblich täglich ein paar Tässchen Tee mit seinen Blättern aufbrüht und regelmäßig über hundert Jahre alt wird, was natürlich auch an anderen Umständen liegen könnte, wie anzumerken wir an dieser Stelle nicht vergessen wollen, lag der Gedanke nahe, die anfallenden Biomassen in diesem Sinne zu testen. Was soll man sagen: Der blassgrüne Tee schmeckt gut. Ziemlich gut sogar.
Seine Tugenden werden von Fach-Chinesen wie folgt gepriesen: Das Kraut enthält Gypenoside sowie die gleichen Inhaltsstoffe wie Ginseng, genannt Ginsenoside. Und noch ein paar andere, über die wir uns als heilwissenschaftliche Banausen nicht äußern sollten. Jedenfalls wahnsinnig gesund ist das alles, und möge die Prophezeiung, das tägliche Tässchen Tee senke Blutdruck und Cholesterinspiegel, verhindere Krebs und stärke das Immunsystem, fördere Stoffwechselvorgänge und gesegnete Nachtruhe, ruhig eintreten. Gut getrunken zu haben und dabei alt geworden zu sein ist man ja später gern.
Gynostemma pentaphylla
Xiancao heißt das Kraut übrigens in China. Hierzulande wird es meistens unter dem japanischen Namen Jiaogulan verkauft. Ausgesprochen wird das Dschiau-gu-lan. Für Insider haben wir sicherheitshalber auch den botanischen Namen parat, der lautet Gynostemma pentaphylla.
Das Kraut der Unsterblichkeit gehört zur Familie der Kürbisgewächse und treibt bis zu sechs Meter lange Triebe. Das dauert, wie gesagt, gar nicht lang. Die Pflanze ist zweihäusig, hält es also mit Männern einerseits und Frauen andererseits, weshalb diejenigen unter Ihnen, die Samen ernten wollen, beide brauchen.
Doch das ist gar nicht erforderlich, die Pflanze lässt sich extrem leicht vermehren: Man schneide ein Büschel Triebe ab (10 bis 15 Zentimeter lang), stecke die in ein Wasserglas, pflanze nach etwa zwei Wochen die gut bewurzelten Triebe ein - und verschenke sie ehebaldigst, so man nicht entweder in Tee absaufen oder überwuchert werden will. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/12/09/2008)