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"Alle Aspekte an Wein kann man lernen. Außer man wird von der Physis gehindert."

Foto: APA/AP/Hermann J. Knippertz

"Wie bei vielen Dingen im Leben steigert Wissen auch den Genuss", stellt Josef Schuller fest. Und "alle Aspekte an Wein kann man lernen. Außer man wird von der Physis gehindert", schränkt er ein. Wie bei Farbenblindheit kann ein Mensch für Gerüche teilweise oder gar nicht empfänglich sein.

Weinlernen ist eine Sache der Briten. Der britische Weinhandel wünschte sich weinwissende Mitarbeiter und schuf in den 1950ern und 60ern mit dem Institute of Masters of Wine (IMW) und dem Wine and Spirit Education Trust zwei Ausbildungsstätten für den Handel, die Schwerpunkte bei Marketing und Qualitätsbeurteilung setzten. Der Wirtschaftswissenschafter Schuller kam während seiner Zeit im internationalen Weinhandel mit der britischen Weinausbildung in Kontakt. 1991 initiierte er in Österreich, das sich gerade aus der Asche des Weinskandals erhob, die "Weinakademie Österreich", die er in Kooperation mit den erwähnten Institutionen zur heute größten Weinschule am Kontinent ausbaute. Daneben absolvierte er den Master of Wine, führt sei 1998 als einer von derzeit 264 Absolventen weltweit das Kürzel MW hinter dem Namen und wurde soeben als erster Nichtbrite in der Institutsgeschichte zum Vorsitzenden gewählt.

Bandbreite der Irrungen

Dass aber Weinflaschen nicht ausschließlich "Veritas" enthalten, sondern gefälscht wird, seit es Wein gibt, und dass sich auch geschulte Gaumen täuschen können, ist eine genüsslich verbreitete Tatsache. Die Bandbreite der Irrungen ist groß und reicht von Tetrapack-Tropfen, die für edel, bis zu jungen Weinen, die für alt gehalten werden. Fälschungen nahmen mit der Zeit hochprofessionelle Formen an, was ein Erkennen schwierig macht. Nicht zu vergessen ist der menschliche Faktor: Man neigt, Wein aus einer edlen Flasche, der z.B. nicht so alt schmeckt, wie man annehmen würde, eher der Kategorie "A Wunder" zuzuordnen, denn als Fälschung zu verdächtigen.

Verdacht geschöpft wird generell vor allem über technisch-historische Mängel, die jedoch selten so plump sind wie jener "Mouton-Rothschild 1975", der in Flaschen "Made in Canada" gefüllt wurde. Bekanntester Weinfake der jüngsten Zeit sind Flaschen, die aus Thomas Jeffersons Weinkeller gestammt haben sollen und von einen US-Weinsammler erworben wurden. Anhand der Gravur auf der Flasche, verstärkt durch Aufzeichnungen, in denen viel von Jeffersons Alltag, aber nie von Gravuren auf Weinflaschen die Rede war, ließ der milliardenschwere Weinfreak feststellen, dass der Inhalt nicht aus Jeffersons Zeit stammte. Vermittelt wurde der Deal von Hardy Rodenstock, bei seiner Geburt in Deutschland noch Meinhard Görke gerufen, der sich in den 90ern einen Ruf mit Verkostungen rarster und teuerster Weine machte. Seither wird gemutmaßt, dass nicht nur Jeffersons Flaschen manipuliert waren, was wieder einige renommierte Weinjournalisten beunruhigte, die zu Rodenstocks Proben stets geladen waren. Josef Schuller: "Selbst die größten Profis sind vor Irrtümern und der eignen Unvollkommenheit nicht gefeit. Demut ist angesagt."

Konkrete Parameter

Wozu also Bescheid wissen? Zu Beginn lernt man, der eigenen Meinung zu trauen. "Je mehr man weiß, desto besser kann man sich von anderen Meinungen emanzipieren", so Schuller. Am nächsten Wissenslevel wird klar, warum etwas schmeckt und was einem eventuell noch schmecken würde. "In der professionellen Dimension, bei Sommeliers oder im Weinhandel, gibt es konkrete Parameter, nach denen Qualität beurteilbar wird." Dazu zählen keinesfalls die persönlichen Vorlieben, sondern Marketingkomponenten: "In welchen Märkten und in welcher Zielgruppen bewege ich mich bei welchem Preislevel?" Eine Gesellschaft, die sich der Qualitätskriterien bewusst sei, bringe bessere Produkte hervor, ist Schuller überzeugt: "Der Regelkreis der Weinkultur hierzulande hat dazu geführt, das diese Qualitäten beim Produzenten eingefordert, aber auch bezahlt werden."(Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/12/09/2008)